Seit Monaten ist das geplante Primärversorgungsgesetz der Zankapfel zwischen Ärztekammer und den restlichen Playern im Gesundheitssystem. Während die designierte Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner im Interview mit der Kleinen Zeitung betonte, das Primärversorgungsgesetz im Jahr 2017 umsetzen zu wollen, mobilisiert die Ärztekammer weiter gegen den jüngsten Entwurf. Bei einer großen Veranstaltung am Abend will die Kammer ihre Mitglieder im Wiener Museumsquartier über die aus ihrer Sicht drohenden "deutlichen Verschlechterungen" für Patienten und Ärzte informieren. Zu dieser als "Krisengipfel" bezeichneten Veranstaltung werden an die 1.000 Ärzte erwartet.

Der Vizepräsident der Ärztekammer, Johannes Steinhart, kündigte an, dass es um "Aufklärung und Information über die Zukunft des Gesundheitssystems" gehe. "Es steht sehr viel auf dem Spiel", es gehe "an die Substanz der Gesundheitsversorgung" und um einen "radikalen Umbau" vor allem im niedergelassenen Bereich des Systems.

40 Prozent in Primärversorgungseinheiten

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Steinhart bekräftige seine Kritik, dass bis zum Jahr 2025 in Wien bis zu 40 Prozent aller Hausärzte in Primärversorgungseinheiten (PVE) arbeiten sollen. Bei der Ausschreibung würden zwar die niedergelassenen Allgemeinmediziner aus der Region bevorzugt, Spitalsärzte könnten jedoch nicht daran teilnehmen, und die Zukunft der niedergelassenen Fachärzte bleibe in dem Entwurf überhaupt völlig offen.

Für private Investoren, die Gewinne und Renditen im Vordergrund haben, sei dann die Tür offen. Vorgesehen sei zwar ein Gesamtvertrag für die PVE, aber die darunter geplanten Direktverträge würden im Gegensatz zum jetzigen System keinen Stellenplan, keine Honorare und keine Kündigungsschutz vorsehen, kritisierte Steinhart.

Reform-Verhinderer?

Den Vorwurf, Reformen zu verhindern, wies Steinhart ebenso zurück wie der Obmann der Allgemeinmediziner, Gert Wiegele. Beide verwiesen darauf, dass die Ärztekammer zahlreiche Konzepte vorgelegt habe und der Ausbau der Gruppenpraxen von den Kassen verhindert werde. Wiegele betonte, dass er als Hausarzt die Primärversorgung als erste Anlaufstelle für Akut- und chronisch Erkrankte täglich leiste und hielt der Politik vor, dass der Hausarzt "totgeredet" werde. "Wir sind nicht die Bremser", sondern wollen eine Weiterentwicklung, betonte Wiegele. Der Obmann der Turnusärzte, Karlheinz Kornhäusl meinte, dass für die Versprechungen der Politik, wie etwa längere Öffnungszeiten, das Geld fehle.

Ärztekammer als "Bremsklotz"

Mit "völligen Unverständnis" quittierte der Hauptverband der Sozialversicherungsträger die Aussagen der Ärztekammer. Man appellierte "in aller Eindringlichkeit" an die wahlkämpfenden Funktionäre, "die Patienten nicht weiterhin mit dem Krankreden des Gesundheitssystems zu verunsichern". Die geäußerten Vorwürfe der Kammer-Funktionäre entbehrten jeglicher Grundlage. Tatsache sei, dass Reformbedarf bestehe, die Ärztekammer derzeit jedoch "leider nicht Reformpartner sondern Bremsklotz" sei.

Als Beispiel nennt der Hauptverband die Ärzteausbildung, bei der die Ärztekammer seit einem Jahr rund 2.000 Ausbildungsplätze nicht bewillige und damit tausende Jungärzte in der Luft hängen.