Ihr Buch ist eine Sammlung von Geschichten, die von couragierten Persönlichkeiten und herzerwärmenden Begebenheiten erzählen - wie haben Sie ausgewählt?

Barbara Stöckl: Ich glaube, wenn man in der Medienbranche arbeitet, ist es so wichtig, berührbar zu bleiben. Das versuche ich, indem ich meine Zuschauer bitte, mir solche Begebenheiten zu schildern. Manchmal entstehen daraus die Texte, manchmal sind es meine persönlichen Eindrücke. Ich übe, für solche scheinbaren Kleinigkeiten sensibel zu bleiben. Das ist meine Seelenhygiene.

An manchen Stellen liest sich Ihr Buch wie ein Manifest - was ist Ihre Agenda?

Stöckl: Vor allem ist es die Tatsache, dass wir ohne die Hilfe anderer nicht leben können. Wir müssen gut aufeinander aufpassen.

Sie geben Ihrem Leser Fragen mit auf den Weg, als Vorschläge, um das eigene Leben zu hinterfragen. Welche dieser Fragen sollte sich jeder regelmäßig stellen?

Stöckl: Für eine ganz wichtige Frage an sich selbst halte ich: Wo könnte es hilfreich sein, eine Situation aus einer anderen Perspektive zu betrachten?

Die Welt und die Nachrichten darüber sind dominiert von Bad News, beängstigenden Meldungen. Als Ausweg schlagen Sie vor, sich auf das eigene Leben zu konzentrieren und dort aufzuräumen. Ist es nicht naiv, das Leben außerhalb des unmittelbaren Horizonts zu negieren?

Stöckl: Aber mit dieser Herangehensweise ersetzt man ja keinesfalls, Dinge zu hinterfragen und auch verändern zu wollen. Aber es hilft, schwierige Situationen und Nachrichten besser zu ertragen. Nennen Sie es naiv, dann wünsche ich mir oft mehr Naivität! Das Leben ist geprägt von einem ständigen Wechsel von Nähe und Distanz, und wir neigen dazu, viel ,fern' zu schauen, wo doch das Gute so nah lieg.

Eines der dringlichsten Probleme, schreiben Sie, sei der Verlust des Mitgefühls. Eines der alarmierendsten Symptome ist wohl der Umgang mit flüchtenden Menschen. Wo haben wir das Mitgefühl verloren und wie kann man es wiederfinden?

Stöckl: Gerade bei diesem Thema kann der vorhin genannte Anreiz, eine Situation aus einer anderen Perspektive zu betrachten, sehr hilfreich sein! Was würde ich tun, wenn ich in einer solchen Situation wäre, und ist es nicht Glück und Zufall, dass ich in einem sicheren Land auf die Welt gekommen bin? Sich das zu fragen, macht demütig und dankbar, und hilft vielleicht auch, Verantwortung für andere zu übernehmen, die dieses Glück nicht haben. Das ist kein naives Gutmenschentum! Aber wenn Mitgefühl die Grundlage ist, wird auch manche politische Entscheidung anders gelingen. Umfragen zeigen ja, dass jene Menschen am meisten Angst vor Flüchtlingen haben, die noch nie mit einem Flüchtling zu tun hatten. Von denen, die flüchtende Menschen bei sich aufgenommen haben, hört man anderes, da geht es um Träume, Talente, Tragödien. Da geht es um Menschen.

Sie greifen auch den Memento-Mori-Gedanken auf: Was würde ich anders machen, wenn ich den Zeitpunkt des Todes kennen würde? Was würden Sie anders machen?

Stöckl: Wenn der Zeitpunkt sehr nahe wäre, würde ich mehr Zeit mit meinen Lieben verbringen und mir Zeit für Abschiede nehmen. Wenn der Zeitpunkt noch weit weg liegt, würde ich doch einiges so belassen, denn ich habe vieles im Leben, was gut ist.

Der Untertitel Ihres Buches lautet: Ermutigungen für jeden Tag. Was ist Ihre Ermutigung für diesen Tag?

Ich war vor einiger Zeit bei der Bestattung einer Frau, die ich beim Wandern kennengelernt hatte. Sie hatte eine schwere Krebsdiagnose bekommen. Ihre Tochter hat einen Brief ihres Bruders, der nach Neuseeland ausgewandert war, vorgelesen. Darin formulierte er einen schönen Gedanken: Die seltenen Treffen mit seiner Mutter waren für ihn so schwierig und so schön gewesen. Er kam von weither, sie war so krank, keiner wusste, ob es das letzte Treffen sei. Daher wollte er immer etwas ,ganz Wichtiges' mit ihr besprechen. Aber dann hat er gemerkt, dass es nichts ganz Wichtiges zu besprechen gab, sondern dass es einfach darum geht, zusammen eine gute Zeit zu haben. Das ist ein banaler Gedanke, aber vielleicht am Ende der wichtigste: Eine gute Zeit miteinander verbringen.