Zuhörer in den ersten Reihen, aufgepasst! Bei seinem Einstandskonzert als Chef des Grazer Orchesters recreation 2005 im Stefaniensaal flog beim Feuerkopf am Pult nicht nur der Funke, sondern auch gleich noch der Taktstock ins Auditorium.


Was aber nicht heißt, dass Andrés Orozco-Estrada nicht alles im Griff hätte. Im Gegenteil. Sonst wäre er nicht zu einem der gefragtesten Dirigenten seiner Generation herangewachsen und hätte nicht die Chefposten beim hr-Sinfonieorchester Frankfurt und der Houston Symphony inne oder die Position des ersten Gastdirigenten beim London Philharmonic Orchestra.


Was für den 38-jährigen Kolumbianer zählt: Intensität, Innovation, Ärmelaufkrempeln. Nach seinem mit Auszeichnung abgeschlossenen Studium in Wien spezialisierte er sich vor allem auf die Wiener Klassik und das deutsche romantische Repertoire, zeigt aber oft auch sein Faible für Zeitgenössisches. Nur: „Ich bin kein Spezialist für Alte Musik, kein Nikolaus Harnoncourt oder John Eliot Gardiner, aber ich lerne von diesen Meistern. Selbst wenn ich wollte: Ich kann nicht wegschauen.“


Das hatte Orozco-Estrada bei seinem Amtsantritt 2014 in Frankfurt gestanden, was ihn aber nicht daran hindert, nun im Beethoven-Zyklus der styriarte einzuspringen, den ja noch der im März verstorbene Harnoncourt konzipierte. Seit Montag probt er mit dessen Originalklangensemble Concentus Musicus und bringt die 4. und die 5. Symphonie in den Stefaniensaal sowie die „Neunte“ nicht nur in Graz, sondern auch in Salzburg (ausverkauft) auf die Bühne; bei den Festspielen präsentiert er zudem Otto Nicolais Tempelritter-Oper „Il templario“ konzertant.


Was Andrés Orozco-Estrada, der mit seiner als Tierärztin praktizierenden Frau und seiner Tochter in Wien lebt, bei seinem Amtsantritt in Graz versprach, darf man sich von ihm wohl auch weiterhin erwarten: „Alles geben, Großes schaffen.“