Vista Mare

Sommer in Jesolo. Wer sich von den inzwischen vom Massentourismus vollgepackten Stränden nicht einschüchtern lässt, ist in der Stadt entlang der Adria genau richtig. Doch so wie sich tausende Touristen tagtäglich amüsieren und unterhalten werden, so muss die Maschinerie, die Organisation dahinter ungesehen, wie am Schnürchen laufen. Julia Gutweniger und Florian Kofler begleiten die Region für eine Saison, angefangen von den Unmengen an Sand, die zurecht gebaggert werden, dem Flicken von tausenden Sonnenschirmen, dem Training der neuen Rezeptionisten und Animateure, den Aufwärmspielen der Rettungsschwimmer bis hin zu der Langeweile der Infostand-Bewacher. Ruhig, mal aus der Nähe, dann wieder aus einem distanzierten Winkel, beobachtet das Regie-Duo das Treiben. Die faktische Unaufgeregtheit erinnert an eine Doku von Nikolaus Geyrhalter, die immersive Sogkraft der Bilder lässt einen sich fast selbst an einem italienischen Strand wähnen. Spannend, abwechslungsreich, und je nach Begeisterung für Strandurlaub Sehnsüchte weckend oder abschreckend. (sg) ●●●●○

Monkey Man

In den schmutzigen, manipulierten Ringkämpfen einer indischen Großstadt schlägt er sich durch: Kid (Dev Patel), ein junger Mann mit Affenmaske, der kräftig mitverdient. Das Geld braucht er, um sich eine Waffe zu besorgen. Denn Kid will den Tod seiner Mutter und die Zerstörung seines Dorfes im Wald rächen. Dies wurde einst vom Polizeichef mit dem spirituellen Anführer Baba niedergebrannt. Aus einem Rachefeldzug wird bald eine Hoffnung für die Menschen, die Kid vor Ausbeutung schützen will. In seinem Regiedebüt schreibt sich Dev Patel eine beeindruckende Actionrolle auf den Leib, die nicht um ein paar blutig-morbide Kampfszenarien verlegen ist. Wie ein verschachtelter Gedanke voller spielerischer Details inszeniert, liegt der Vergleich mit John Wick nahe. „Monkey Man“ nimmt sich auch der Probleme Indiens – der Schere zwischen Arm und Reich – an. Ein wenig mehr stringente Erzählweise zu Beginn wäre gut gewesen, sonst nahe an einem Kultklassiker. (sg) ●●●●○

Morgen ist auch noch ein Tag

Rom, 1946: Delia flickt Strumpfhosen, kocht, putzt, kümmert sich um die drei Kinder, pflegt den kranken Schwiegervater. Sie arbeitet sich ­– wie viele Frauen – fast kaputt. Zudem ist sie der physischen und psychischen Gewalt ihres Mannes (Valerio Mastandrea) ausgesetzt. Begrüßt sie ihn in der Früh mit einem „Guten Morgen“, kassiert sie eine Ohrfeige. In ihrem Regiedebüt erzählt Paola Cortellesi, die auch die Titelrolle spielt, in strengem Schwarz-Weiß von einem Italien, das sich zwar vom Faschismus befreit hat, aber selbstverständlich am Patriarchat festhält. Die Gewaltszenen werden nicht ausgekostet, sondern nur angedeutet als Chronologie einer selbstverständlichen und über die Generationen weitergegebenen Misogynie. Man lacht; viel öfter vergeht es einem. In Italien gelang Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin Paola Cortellesi ein Kinohit, der im Vorjahr „Barbie“ und „Oppenheimer“ überflog. Und das bei dem Thema! (js) ●●●●○

Godzilla X Kong: The New Empire

Das sündteure MonsterVerse von Warner Bros. geht in Runde fünf und nicht zum ersten Mal kommt es zum Aufeinandertreffen zwei religiös verehrter Kultmonster. Haudrauf-Affe King Kong und Godzilla, die Superechse mit atomarem Atem, lieferten sich schon 2021 eine Materialschlacht durch Hongkong. Im Folgefilm bekommen es die Urzeititanen mit Kreaturen zu tun, die im Erdinneren schlummern und ihnen in nichts nachstehen. Um die Welt vor dem Verderben zu retten, müssen die Könige der Bestien ihre Kräfte kanalisieren und wohl oder übel kooperieren. Es kommt zu ausufernden Action- und Effektszenen, die in ihrer computerspielähnlichen Künstlichkeit schnell fadisieren. Talentierte Darsteller wie Rebecca Hall und Brian Tyree Henry werden an austauschbare Menschenfiguren vergeudet. Wie spektakulär und mitreißend ein Film über die Riesenechse inszeniert sein kann, hat ihr japanischer Erzeuger Tōhō erst vor wenigen Monaten in „Godzilla: Minus One“ demonstriert. Mit einem Bruchteil des Hollywood-Budgets. Diesem verwestlichten Monster-Gerangel fehlt es dagegen an Seele und Verstand. (pog) ●●○○○

Immaculate

Man könnte meinen, Horror im Mantel einer christlichen Ikonografie wäre abgenutzt und kaum fähig, noch etwas Neues zu bieten. Und so sind die düsteren Nonnen, die zu Beginn gleich einmal eine junge Novizin jagen, die dem Kloster entfliehen will, wenig packend. Doch der von Michael Mohan inszenierte, und von Hauptdarstellerin Sydney Sweeney mitproduzierte Film setzt sich weniger in ein gemachtes Bett aus Scare Jumps und teuflischen Wesen, sondern erschließt seinen Grusel aus gutem alten Bodyhorror. Schwester Cecilia (Sweeney) kommt aus den USA in einem Kloster in Italien an. Kurz nach ihrer Ankunft, und einigen wirren Albträumen, erkennt sie, dass sie schwanger ist. Die Nonnen und Priester feiern sie wie eine zweite Inkarnation der Muttergottes. Doch Cecilia wird bald klar, dass etwas Düsteres in diesen Klostermauern umgeht. Und was genau wächst in ihr heran? Aufbauend auf der eindeutigen Vergewaltigungssymbolik und dem alienhaften Wesen in ihrem Körper, bleibt Cecilia auch sonst nicht viel erspart. Da wird mit Kruzifixen attackiert, mit Messern und Reliquien zugestochen, in Blut gebadet und gefoltert. Allein die Dramaturgie und die Atmosphäre des Klosters lassen etwas zu wünschen übrig. Dafür ist das Finale eine Klasse für sich. (sg) ●●●○○