Nichts für ungut, aber man kann es auch übertreiben: Dass der Wiener Dompfarrer Toni Faber in der Vorwoche im Stephansdom ein Requiem für Johann Hölzel gelesen hat, war würdig und recht. Dass aber Faber die „mystisch-religiösen Anklänge“ der Poplegende in den Himmel lobte, ist schon etwas zu dick aufgetragen. Das hat er Falke nicht verdient, auch 20 Jahre nach seinem ultimativen Absturz nicht.
20 Jahre ist das also schon her, dass der damals 41-Jährige am 6. Februar 1998 in der Dominikanischen Republik bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Weil ein Popstar natürlich nicht eines so gewöhnlichen Todes sterben konnte und durfte, wurde schnell über Selbstmord spekuliert. Genährt wurden diese Gerüchte, die nie bestätigt wurden, durch Falco selbst, durch sein musikalisches Vermächtnis. „Muss ich denn sterben, um zu leben?“, fragt er im posthum erschienenen Song „Out of the Dark“. Ein aufgelegter Todessehnsuchts-Selbstläufer gleichsam, der sich bis heute hartnäckig am Leben hält.
Das Geschäft mit dem toten Künstler
Wahr aber ist: Es lässt sich gut leben mit diesem toten Künstler. Falco-Dokus im Fernsehen, ein Tribute-Konzert, CDs und DVDs, ein Musical. So viel Medienpräsenz hätte sich der Hölzel in den Jahren vor seinem Tod gewünscht, denn da geisterte er nur noch als verschnupfter, verstörter, verletzter Celebrity-Clown durch die Gazetten. Musikalisch war dieser Stern schon im Untergehen begriffen. Ausgerechnet mit jener CD, deren Veröffentlichung er nicht mehr erleben sollte, hätte es ein Comeback geben können. Denn da zeigte Falco, dass er musikalisch längst noch nicht Schnee von gestern war. Alles war wieder da: die Theatralik, das Pathos, der coole Größenwahn, die rhythmische Glitzerkugel, kurz: der Wiener Dandy mit weltmännischem Charme. „Coming Home“ also. Es sollte anders kommen. So fies kann das Leben sein.
Aber auch jener Mann, der seinen Künstlernamen vom DDR-Skispringer Falko Weißpflog bezog, kam nicht „Out of the Dark“. Die Inszenierung, auch jene seiner selbst, hat er von der Pike auf gelernt, namentlich bei den Rocktheater-Berserkern von „Drahdiwaberl“ und der „Hallucination Company“. Doch bald war klar, dass dieser Geist nicht für die Gruppe taugt, sondern als egomanischer Solitär seinen Weg gehen musste. Der Hans, inzwischen zum Falco mutiert, begab sich - wir befinden uns jetzt am Beginn der 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts - freiwillig in „Einzelhaft“, durchstreunte fiebrig „ganz Wien“, zog sich den Deckmantel des „Kommissar“ über, durchlitt eine mörderische Beziehung mit „Jeanny“ und rockte sich dann schließlich 1986 mit „Amadeus“ in den Musikhimmel. Mit diesem Song landete Falco als erster deutschsprachiger Popmusiker an der Spitze der US-Charts. Höher ging es nicht mehr, nur noch bergab.
Was folgte, war die Abwärtsspirale eines Ikarus, der der Sonne zu nahe kam; ja, zu nahe kommen musste, denn die Vita des Falken war eine klassische selbsterfüllende Prophezeiung. Die Kunstfigur verblasste, der Mensch dahinter verbitterte. Falsche Freunde, falsche Frauen, falsche Substanzen. Dass seine Tochter nicht sein eigen Fleisch und Blut war, brach ihm das Herz, lange bevor er sich das Genick auf der Dominikanischen Republik brach. Das Album „Emotional“ war gefühlsunecht, „Wiener Blut“ verwässert, der „Nachtflug“ ein Irrflug. Sein einst so ultrafescher Mix aus Funk, Rap und Wiener Underground wirkte abgegriffen, die Pose dahinter müde. Der coole Hund war kaltschnäuzig geworden. Das konnte nicht gut gehen. Tat es auch nicht.
Muss man sterben, um zu leben? Der Zyniker Falco würde wohl antworten: „Es schadet jedenfalls nicht.“