Sind Sie erleichtert, dass Frank Stronach via Anwaltsbrief seine Teilnahme am ORF-Sommergespräch für morgen abgesagt hat?
TAREK LEITNER:  Überhaupt nicht. Ich hätte sehr gerne mit ihm darüber gesprochen, wie sich sein Ausflug in die Politik aus seiner Sicht gestaltet hat: was sich ausgezahlt hat, warum er letztendlich gescheitert ist und wodurch sich erfolgreiches Handeln in einem Weltkonzern vom erfolgreichen politischen Handeln als Führer einer Oppositionspartei unterscheidet. Ich glaube, es wäre möglich gewesen, brisante Einblicke in die österreichische Innenpolitik zu bekommen.

Stattdessen sprechen Sie morgen eine Einladung an Wählerinnen und Wähler aus, mit Ihnen über Politik zu reden. Welche Themen erwarten Sie zu hören?
Das Thema Migration beschäftigt uns immer noch in großem Ausmaße. Damit allein ist allerdings kein Staat zu machen. Es geht darum, was den Menschen am Herzen liegt. Ich versuche, sie ganz wenig anzuleiten.
Sie führen die „Sommergespräche“ im Container vor der Baustelle Parlament. Ist das eine Metapher für die Baustelle Österreich?
Man kann jetzt sagen, das ist eine abgegriffene Metapher. Aber ich denke, sie passt sehr gut. Erstens: weil jede Wahl schon so etwas wie eine demokratische Baustelle ist, wo man eine neue Zusammensetzung des Gesetzgebungskörpers erreichen will. Zweitens: vielleicht noch ein Stück weit mehr, weil die Chance groß ist, dass die Regierungszusammensetzung eine völlig neue ist. Insofern ist die Baustelle ein gutes Bild. Und die Wahl des Ortes ist auch der Tatsache geschuldet, dass der Ort ikonografisch für Demokratie in Österreich steht.

Wann und wodurch wurde eigentlich Ihr Interesse für Politik geweckt?
Das war in der Oberstufe am Gymnasium. 1986 war einiges los: Waldheim-Affäre, Jörg Haider wird Vorsitzender der FPÖ, die Weichenstellung Österreichs für die Europäische Union, damals noch EG. Alles Themen, die in unserer Schule und meiner Klasse auch eine Rolle gespielt haben. Das war durchaus eine initiale Zündung für mein Interesse an Innenpolitik – zudem habe ich das Wahlfach politische Bildung besucht, das mir Zusammenhänge eröffnet hat, wie Gesellschaft funktioniert. Politik ist so vielfältig und berührt so viele unserer Lebensbereiche, dass ich meine, es ist nie fehl am Platz, sich dafür zu interessieren.

Wie legen Sie die „Sommergespräche“ an: mit Themen, die im Alltag untergehen oder ist alles auf den Wahlkampf getrimmt?
Nein, im Gegenteil. Auch wenn der Wahlkampf gewiss in den nächsten Wochen noch mehr an Fahrt aufnehmen wird, möchte ich mit den „Sommergesprächen“ einen kleinen Ruheraum schaffen, wo wir zumindest über eine Zeitspanne von einer knappen Stunde ein bisschen die Handbremse anziehen. Einen Ruheraum, wo nicht ständig Interventionen oder Interaktionen passieren, Beifallskundgebungen, Ablehnungsbekundungen. Daher wird es keine Publikumsfragen oder Wordraps geben. Es soll eine Antithese zu Social Media sein, wo man ein Gespräch führt, Gedanken entwickelt und die grundsätzlichere Weltanschauung einer Person ausleuchten kann.

Apropos Weltanschauung: Wo stehen Sie denn?
Ich bin der Meinung, dass wir den Begriff Ideologie ein bisschen diskreditiert haben. Ich glaube, dass es so etwas wie links und rechts gibt. Das versuchen viele Politiker immer zu überspielen. Das glaube ich nicht. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns in einem öffentlichen politischen Diskurs über ideologische Grundsätzlichkeiten klar werden, dazu dienen diese Sommergespräche.

Wie viele Interventionen gab es, seitdem bekannt ist, dass Sie die Sendung leiten werden?
Keine.

Nach dem Mammutwahljahr 2016: Glauben Sie an einen spannenden oder doch eher an einen ermüdenden Wahlkampf?
Ich glaube, die große Zahl der Sendungen ist nicht zu hoch, weil die Zuschauerzahlen bislang stets gezeigt haben, dass bei den Menschen das Interesse da ist, sich anzuhören, was Politikerinnen und Politiker zu sagen haben. Das ist an und für sich ein sehr gutes Zeichen für eine Demokratie.

Ein weniger gutes Zeichen für eine Demokratie ist die Häme im Netz, der sich Politiker, aber auch Journalisten aussetzen müssen. Warum kippt das so oft?
Ich glaube, es gibt verschiedene Meinungen dazu, wie man eine Sendung machen kann. Die muss auch nicht jedem gefallen, das muss man in einer Demokratie auch aushalten. Aber: Nicht aushalten muss man Hetze, die gegen jemanden veranstaltet wird.

Sind Sie angesichts der vielen Angriffe auf Kollegen auch persönlich besorgt?
Nein. Aber ich habe die letzten Monate auch die Diskussionen darüber mitverfolgt, wie im ORF Interviews zu führen seien, und daher ist es möglich, dass das Gegenstand einer Debatte wird. Das ist legitim. Ich glaube, es geht aber nicht nur darum, sein Handwerk richtig zu machen. Sondern darum, bei einem breiten Publikum Akzeptanz zu finden. Das sehe ich für mich als Herausforderung im Umgang mit den Gästen. Ihnen Fragen zu stellen, die auf Akzeptanz stoßen – bei den Zuschauerinnern und Zuschauern klarerweise und nicht bei den Befragten.