Seit Mittwoch ist Bill Cosby 80 Jahre alt. Viel scheint er in seiner Karriere als Entertainer zu diesem späten Jubiläum nicht mehr retten zu können. Immer schneller hatte sich die Abwärtsspirale gedreht, als die Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs gegen ihn laut wurden. Verurteilt worden ist er wegen keiner dieser mutmaßlichen Vergehen.

Weit weg scheint heute der William Henry Cosby, der 1966 mit der Krimi-Serie "Tennisschläger und Kanonen" als erster schwarzer Schauspieler einen Emmy gewann. Jener, der die von Weißen beherrschte TV-Welt für Afroamerikaner öffnete und sich in der "Bill Cosby Show" zum beliebtesten Witze-Papa der USA ulkte. Für Millionen gehörten seine Gags gepaart mit herzerwärmenden Geschichten des Alltags und einer sanften Moral abends zum Pflichtprogramm.

Mehr als 50 Frauen haben Cosby sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Auch ohne Verurteilung verwandelte er sich in ein Symbol aller Männer, deren Sexualverbrechen zu spät, zu langsam oder überhaupt nicht verfolgt und bestraft werden. Er wurde zum Stellvertreter jedes einzelnen College-Studenten, der sich auf einer Party an einem betrunkenen, schlafenden Mädchen vergreift.

Und das Verfahren in Norristown, das neu verhandelt werden soll, war noch größer: Ruhm, Macht, Geschlecht, Hautfarbe, Kriminalität - der Fall Cosby bewegt sich in ähnlichen Sphären wie der spektakuläre und höchst umstrittene Prozess gegen Football-Star O. J. Simpson im Jahr 1995. Beide Afroamerikaner verdienten ein Vermögen, beide genossen das Ansehen von Millionen, beide stürzten durch einen Strafprozess in kollektive Ungnade. Gesichter Amerikas, die dann verblassten.

Doch im Fall Simpson schwang Rassismus mit - seine weiße Ex-Frau Nicole und deren Liebhaber waren 1994 ermordet worden. Und das juristische Spektakel entfaltete sich live vor TV-Publikum im Promi- und Klatsch-hungrigen Los Angeles, nicht in einem gemütlichen Vorort von Philadelphia. Und: Die Sex-Vorwürfe gegen Cosby wogen und wiegen schwer, aber Simpson wurde des doppelten Mordes angeklagt (und freigesprochen). Nacherzählt wird der Fall in der TV-Serie "American Crime Story" und rüttelt vor allem Krimi-Fans bis heute auf.

Der Name Bill Cosby scheint weiter zu schwinden. Er war einmal das Gesicht des schwarzen Amerika, lang bevor ein Mann Namens Barack Obama ans Rednerpult trat. Aber junge Afroamerikaner haben heute neue und andere Idole - Musiker, Comedians, Filmemacher - mögen sie nun Kanye West und Beyoncé, Chris Rock und Dave Chapelle oder Barry Jenkins und Jordan Peele heißen.

Cosbys Familie hält in diesen Tagen - zumindest öffentlich - zu ihm. Seine Frau Camille aus mehr als 50 Jahren Ehe bezeichnete Richter Steven O'Neill nach Prozessende als "offensichtlich arrogant", auch eine von Cosbys vier Töchtern hatte ihren Vater in Schutz genommen. Cosby mag seine Frau betrogen und sich mit grauenvollen, schmutzigen Verbrechen strafbar gemacht haben. Aber zumindest die Werte des Zusammenhalts in der Familie, die seine beliebte Sitcom einst lehrte, scheinen im Hause Cosby noch etwas zu gelten.