Er ist, so scheint es, zur Ruhe gekommen. "Ich will Hollywood so weit es geht fern bleiben, also dem gesellschaftlichen Aspekt davon", erzählt er der APA.
Billy Bob Thornton sitzt gemütlich in seinem Wohnwagen auf dem Set. Er hat gerade Pause und ist merklich gelöst, wenn auch ein bisschen müde. Vom ungestümen Exzentriker, als der er bekannt ist, fehlt jede Spur. Er wirkt mehr wie ein netter, manierlicher Großonkel als jemand, der Hotelzimmer verunstaltet. "Ich habe das alles hinter mir", erzählt der US-Amerikaner. "Meine Tochter ist das Zentrum meines Universums." Wenn er nicht zuhause ist, dann ist er entweder bei Dreharbeiten, im Tonstudio oder auf Tournee mit seiner Band.
Spannender Anwaltssreit
In der achtteiligen Amazon-Serie "Goliath" von David E. Kelley ("Ally McBeal") und Jonathan Shapiro spielt Thornton Billy McBride, einen alkoholkranken, heruntergekommenen, ehemaligen Star-Anwalt, der wegen eines tragischen Vorfalles aus seiner Kanzlei geworfen wird, in der bis heute seine Ex-Frau (Maria Bello) arbeitet. Seine Sorgen ertrinkt er in Alkohol, da bietet sich ihm eine Chance auf Erlösung, als er mit einem Fall von fahrlässiger Tötung konfrontiert wird, der ihm ein Comeback ermöglichen könnte. Er tritt gegen seinen einstigen Partner, den größenwahnsinnigen Anwalt Donald Cooperman (William Hurt), an.
Auch Thornton kennt dieses Gefühl. "Ich glaube, dass jeder Schauspieler das nachempfinden kann", sagt er in Bezug auf seine Figur. "Wir sind immer auf der Suche nach Erlösung in der einen oder anderen Form." Das letzte Mal, dass er einen Anwalt gespielt hat, war in dem Film "Der Richter - Recht oder Ehre" vor zwei Jahren. "Ich mochte das. Meine Frau sagt immer, dass ich sowieso wie ein Anwalt argumentiere."
Thornton hat in der Vergangenheit immer wieder Schlagzeilen gemacht, nicht zuletzt wegen seiner dreijährigen Ehe mit Angelina Jolie (41). Dabei ist der Künstler für sich alleine genommen immer schon interessant genug gewesen. Nach einer bescheidenen Kindheit in Arkansas versuchte er sein Glück Mitte der 1980er-Jahre in Hollywood. Es war eine Begegnung mit dem österreichisch-amerikanischen Filmemacher Billy Wilder (1906-2002), die ihm den Weg wies. Thornton war Ende 20 und pleite, als ihn ein Freund fragte, ob er auf einer Weihnachtsfeier kellnern will. "Da war dieser kleine Kerl", erinnert er sich. "Ich wusste, wer Billy Wilder war, aber ich wusste nicht, dass das Billy Wilder war! Er hat zu mir gesagt: 'Sie wollen Schauspieler werden?' Ich hatte damals keine Ahnung, dass jeder Kellner in Hollywood auch Schauspieler war", lacht Thornton. "Vergiss das!" sagte Wilder. "Kannst du schreiben?", fragte er Thornton und der nickte. "Das ist der richtige Weg. Diese Stadt braucht Schriftsteller mehr als alles andere." Thornton hat diesen Rat befolgt und für seinen Film "Sling Blade - Auf Messers Schneide" 1996 den Oscar für das beste Drehbuch bekommen. Er spielte darin die Rolle eines geistig Behinderten im Südstaatenmilieu, schrieb das Drehbuch und führte Regie.
Zufrieden mit Rolle als Ungustl
Im Laufe seiner Karriere hat er sich schließlich vom Charakterdarsteller zum "Leading Man" entwickelt. "Das passiert sehr selten", sagt er. "Normalerweise ist es umgekehrt." Und er kann beides: In "Monster's Ball" bestach er als Todeszellenwärter, in "Bad Santa" spielte er einen grantigen Dieb im Weihnachtsmannkostüm. Es war diese Rolle, die ihn für eine Weile zum "Parade-Arschloch" machte, aber er ist zufrieden mit den Rollen, die er heute angeboten bekommt. "Ich schätze mich sehr glücklich." Billy McBride, seine Figur in "Goliath", sei ein zugänglicher Charakter. Er ist ein "nachdenklicher, einsamer Mann", sagt Thornton. "Sicher, er ist verbittert und es gibt Momente, da kann er ein Arschloch sein, aber er ist so viel mehr als das."
Thornton hat bereits Serienerfahrung. Sein erster Job fürs Fernsehen war die Rolle des Auftragsmörders in der ersten, vielgepriesenen Staffel von "Fargo". "Es war eine großartige Erfahrung und ein enormer Erfolg, und ich dachte mir, ich versuche es noch einmal", sagt er. Im TV- und Streaming-Geschäft sieht er auch die Zukunft des Independentfilms. "Das unabhängige Filmgeschäft ist verschwunden. Es gibt entweder große Studiofilme oder kleine Independentfilme, die niemand sieht. Als ich aufgestiegen bin, konnte man einen richtig erfolgreichen Independentfilm machen wie 'Monster's Ball', 'Sling Blade' oder 'Ein einfacher Plan'. Wenn man heute so einen Film machen will, dann geht man zu Amazon, Netflix oder HBO."
Der zweite Teil von "Bad Santa" kommt im November ins Kino, aber Thornton ist vorsichtig bei der Wahl seiner Projekte und nimmt nur wenige Blockbuster an. "Es ist wirklich nicht mein Stil", sagt der Schauspieler nachdenklich. "Es fühlt sich eher wie ein Job an. Wenn ich einen Independentfilm mache, dann fühlt sich das mehr wie Kunst an."