Heuer im Juni wird Erik Schinegger 70. Doch das ist nicht der Grund für die verstärkte Medienpräsenz des Skischul-Pioniers und Ex-Dancing-Stars-Teilnehmers: „Alt wird man von selbst“, winkt der agile Tausendsassa ab, über den dieser Tage eine neue Biografie und Ende Februar ein Spielfilm erscheint. Wichtiger als der runde Geburtstag ist dem Kärntner ein „Jubiläum“, das nicht unbedingt zum Feiern Anlass gibt: Vor 50 Jahren wurde Schinegger, der 1966 Abfahrtsweltmeisterin geworden war, von einer Frau zum Mann.

Erster Sextest


Vor den Olympischen Winterspielen 1968 in Grenoble wurde an den Sportlern erstmals ein sogenannter „Sextest“ vorgenommen, der ergab, dass Erika Schinegger genetisch ein Mann ist. Was folgte, ist das große Trauma im Leben des Sportlers, der nicht mehr Sportler sein durfte. ÖSV-Funktionäre und Skifabrikant fürchteten den Skandal und die Aberkennung der WM-Goldmedaille. Die 19-jährige Bauerstochter, die so männlich aussah, wurde zum Rücktritt gedrängt – ohne weitere Erklärung. Sie war die Abfahrts-Nummer 1 der Welt – „und ich wusste nicht, dass ein Mann in mir schlummert“, erinnert sich Schinegger im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Dass irgendetwas nicht in Ordnung war, ahnte sie, die als Mädchen erzogen worden war. Tuscheleien, skeptische Blicke, kindlicher Spott, offene Demütigungen waren für Erika an der Tagesordnung, ebenso wie das Schweigen der Eltern, die sie zum Stricken, Häkeln und Abwaschen anhielten, obwohl sie lieber Holz hackte und mit dem Traktor fuhr.

Sinnkrisen

Wie es zur befreienden Operation in Innsbruck kam – „nicht Geschlechtsumwandlung, sondern Richtigstellung“ (Schinegger) – welche Einsamkeit und Sinnkrisen der junge Mensch ohne psychologische Hilfe oder sonstige Unterstützung durchlebte und wie er die vielen Kränkungen in seinem Leben bewältigte, kann man in der bereits zweiten Biografie in Buchform nachlesen (siehe oben). Der Spielfilm „Erik & Erika“ von Reinhold Bilgeri, mit Cornelius Obonya, Marianne Sägebrecht, Ulrike Beimpold und Markus Freistätter in der Titelrolle feiert seine Österreichpremiere in Villach und Klagenfurt am 23. Februar.

Pensionsschock mit 19


An dem „Pensionsschock“, den er mit 19 Jahren erlitten hatte, laborierte er sein ganzes Leben hindurch. Nach der Heimkehr aus der Innsbrucker Klinik als Erik, machte die Gemeinde gleich einmal das Geschenk eines Grundstückes rückgängig, das sie der WM-Siegerin Erika zwei Jahre zuvor jubelnd gemacht hatte. Aus einer neuerlichen Rennkarriere im Schisport, diesmal bei den Männern, wurde nichts – Mobbing war damals zwar noch kein geläufiges Wort, existierte aber dennoch. Und auch mit den ersehnten Frauen klappte es für den jungen Mann, der sich seine neu errungene Männlichkeit beweisen wollte, oft nur mit Enttäuschungen.


Mittlerweile ist der einstige Macho, der sich in seinem neuen Leben gleich einmal einen Porsche leistete, ruhiger geworden. Als Vater einer erwachsenen Tochter, Großvater von drei Enkeln und seit Langem in zweiter Ehe verheiratet, hält Erik Schinegger nun Rückschau auf sein bewegtes Leben. In mehr als 15 Kartons hat er es archiviert, auf einer Fahrt nach Innsbruck die Stationen seiner Geschichte Revue passieren lassen und für sich aufgearbeitet. „Mein ganzes Leben war ein Kampf. Vergessen kann man’s nicht“, resümiert der Mann, der mit seiner Skischule auf der Simonhöhe nach eigenen Angaben rund 150.000 Kindern das Skifahren beigebracht hat.


2005 rollte Regisseur Kurt Mayer dieses Kapitel österreichischer Sportgeschichte in einem Dokumentarfilm auf (heute in ORF 2). Mit TV-Auftritten bei Barbara Stöckl und bei „Guten Morgen, Österreich“ warb er bereits für Buch und Spielfilm – Erik Schinegger ist auch 50 Jahre nach seinem Olympia-Startverbot als Erika nicht zu übersehen. „Ich durfte damals nicht mehr sein, wurde belächelt, sie wollten mich nicht. Keiner hat sich um mich gekümmert, und ich musste immer nur beweisen: Schaut her, ich lebe!“