Die allererste Pressevorführung darf als Stimmungsbarometer gelten: Die offizielle Weltpremiere erfolgt erst am Montag um 22.15 Uhr, bei der freilich keiner in die Köpfe der Jury um Spaniens Pedro Almodovar blicken kann.
Doch die Reaktionen der Journalisten auf Michael Hanekes „Happy End“ sprechen nicht unbedingt für seine dritte Goldene Palme. Nach einer Stunde und 47 Minuten gab es nur kurzen Applaus, in den sich ein paar Buhrufe mischten. Wie immer machte der österreichische Regisseur im Vorfeld ein Geheimnis um den bei Calais gedrehten Film: Er bringt kein Flüchtlingsdrama auf die Leinwand, wie der Schauplatz vielleicht vermuten ließe. Wie zuletzt in „Amour“ beschäftigt sich der 75-Jährige mit dem Tod und Sterbehilfe. Als einen, der Abschied nehmen will, konnte er noch einmal den großartigen Jean/Louis Trintignant vor die Kamera holen, die wahre Entdeckung von „Happy End“ ist Fantine Harduin als 13-jährige Eve Laurent, die nach dem Selbstmord ihrer Mutter wieder bei ihrem Vater lebt. Und dadurch auch im gleichen Haus wie der Opa, eben dargestellt von Trintignant. Wenn diese Eve weint, schnürt sich einem das Herz zu.
Womöglich ist „Happy End“ vielen Kritikern zu absehbar, auch stilistisch und formalistisch kommt das Porträt einer ganz „normalen“ bürgerlichen Familie nicht an die Vorgänger wie „Das weiße Band“ oder eben „Amour“ heran. Die Produzenten konnten allerdings schon vor der ersten Vorführung an der Croisette hervorragende Verkäufe in aller Herren Länder vermelden. Bei einem Golden Globe- und Oscar-Preisträger auch nicht verwunderlich! Der Start in den österreichischen Kinos ist für Herbst vorgesehen. Bei Jury-Präsident wird übrigens von nicht wenigen vermutet, dass er das politische Aids-Drama „120 Battements par Minute“ des französisch-marokkanischen Regisseur Robin Campillo sicher bei der Preisverleihung am 28. Mai bedenken wird.