Josef Köpplinger ist ein Regisseur mit Erfahrung - und doch feiert der 53-Jährige am Samstag (24. März) sein persönliches Debüt an der Wiener Staatsoper. Im Zuge der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag von Gottfried von Einem inszeniert er dessen "Dantons Tod".
Der Intendant des Münchner Gärtnerplatztheaters und ehemalige Intendant des Stadttheaters Klagenfurt sprach vor der Premiere am Samstag über die Konkurrenz unter Opernhäusern, darüber, warum Kunst nicht fair ist und die Frage, warum die dicke Frau so laut singt.
Sie feiern am Samstag mit "Dantons Tod" an der Staatsoper Ihr Hausdebüt. Jetzt sind Sie selbst ja Intendant des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München. Ist es für Sie nicht eigenartig, bei der Konkurrenz zu arbeiten?
Josef Köpplinger: Ich habe ja viele Schwächen - aber ich empfand als Intendant andere Häuser noch nie als Konkurrenz. Das wäre kleinkariert. Neid ist ein Tier, das einen auffrisst, sagt Brecht. Und das ist ein destruktives Verhalten, das in der Kunst nichts zu suchen hat. Ich mag auch keine Vergleiche. Es ist doch schöner, etwas für das, was es ist, zu nehmen. Ich glaube nicht, dass man durch Vergleiche besser wird, sondern, dass die Eigenkreation wachsen muss.
Aber geht so etwas rein aus sich heraus, ohne Bezug zu einem Außen?
Moment! Es ist ein Unterschied, ob ich mich beständig messe an anderen, oder ob ich etwas empathisch in mir aufnehme und Eindrücke verarbeite. Als Kind hat mich etwa der erste aufgehende Vorhang unglaublich geprägt. Damals habe ich als Neunjähriger in der "Carmen" die entscheidende Frage meines Lebens gestellt: Warum singt die dicke Frau so laut? Und dann habe ich laut meiner Tante noch gefragt: Weshalb schauen die sich nicht an, wenn sie miteinander sprechen. (lacht)
Sie hatten also ein frühes Interesse für Personenführung?
Ich war schon damals verstrahlt. (lacht) Aber woher das kommt, weiß ich nicht. Es gab wohl einen frühen Grund dafür. Es ist, als wäre mir das schon im Mutterleib aufgestempelt worden - dabei komme ich nicht aus einer besonders musikalischen Familie.
Wenn wir auf "Dantons Tod" blicken, sind Sie einer der wenigen Regisseure, der nun schon sein zweites Von-Einem-Stück inszeniert, nachdem Sie 1998 "Luzifers Lächeln" in der Kammeroper gemacht haben. Wie hat sich Ihre Sicht auf den Komponisten in den zwei Jahrzehnten verändert?
Ich habe von Einem ja schon während meiner Musikschulzeit kennengelernt. Aber sein Frühwerk "Dantons Tod" habe ich als Inszenierung noch nie gesehen. Das Alterswerk "Luzifers Lächeln" ist ja eher ein Singspiel, während "Danton" eine riesige Choroper ist. Da sieht man wie bei vielen Komponisten im Alter eine gewisse Ausdünnung, eine Reduktion der Mittel. Zugleich hat sich von Einem nicht gescheut, Stile zu mischen.
Das ist der postmoderne Aspekt in seinem Oeuvre. Ist für Sie aber die Frage relevant, wie modern ein Gottfried von Einem nun war?
Man kann bei ihm einen Richard Strauss ebenso wie einen Ernst Krenek oder einen klassischen Kurt Weill heraushören. Aber muss man rausdefinieren, was jemand nicht ist? Ich pfeife darauf, wie jemand klingt, so lange es als Musiktheater funktioniert.
Dennoch wird von Einem heute kaum noch inszeniert. Haben Sie eine Theorie, woran das liegt, nachdem seine Arbeiten als Theatermusik ja eigentlich sehr praktikabel sind?
Ich weiß es nicht. Manches kommt einfach aus der Mode. Kann man sich heute vorstellen, dass Anfang des 19. Jahrhunderts Mozart aus der Mode kam? Kunst ist nicht fair, das hat einfach auch mit Geschmack zu tun. Warum ist die Mona Lisa die Mona Lisa? Wäre ein Caravaggio nicht genauso spannend? Wer möchte da Richter spielen? Deshalb mag ich Vergleiche nicht. Ich würde ihn jedenfalls öfter spielen.
Was Sie als Intendant in München ja könnten...
Wir tun im zeitgenössischen Repertoire sehr viel, wenn Sie an Johanna Doderer denken, die jetzt nach "Liliom" ihre zweite Oper für uns schreibt. Sie zeigt, dass Neutöner nicht per se atonal sind. Und mein Haus hat als Volksopernhaus noch anders als eine Wiener Staatsoper die Aufgabe, dass Schwellenängste abgebaut werden. Aber das ist wie bei der griechischen Tragödie: Wie man es macht, ist es falsch.
Was war für Sie bei der Konzeption für "Dantons Tod" der entscheidende Impuls?
Das ist ein Prozess. Ich wusste aber, was bei "Dantons Tod" die Fallstricke sind: Die Szene mit der Guillotine und die Idee, die Nürnberger Prozesse auf die Bühne zu stellen. Das hat inhaltlich aber nichts mit dem Stück zu tun. Die Frage ist also, ob ich der große Künstler bin, der sich nicht darum schert, ob das Publikum die Geschichte versteht. Alles anders zu machen, nur damit es anders ist, würde mich aber langweilen. Das hat für mich immer auch den Geschmack von Nicht-Verstehen. Ich gehe an solch ein Passionswerk wie "Dantons Tod" sehr analytisch heran. Die Falle in dem Stück ist der Pathos.
Noch ein Blick in Ihre persönliche Zukunft. Ihr Vertrag in München läuft noch bis 2023...
Ich bin ein ziemlich verspielter Typ und halte etwas von Spontanitäten. Aber es hat mir damals imponiert, dass mir gegenüber ein klares Ja ausgesprochen wurde. Zuerst kam mir der Zeitraum von 2012 bis 2023 unglaublich lang vor. Aber jetzt habe ich das Gefühl, wir bringen die ganzen Vorhaben nicht mehr unter.
Sie könnten sich also vorstellen, auch noch länger als 2023 an der Isar zu bleiben?
Dafür, dass ich ursprünglich gar nicht Intendant werden wollte, bin ich es schon ziemlich lange. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich die Kraft und Energie nicht mehr habe zu inszenieren, dann höre ich auf. Wenn ich nur mehr mein eitles Ego bedienen würde, ziehe ich gerne den Vorhang.
Martin Fichter-Wöß/APA