Es ist eine schreckliche Geschichte, welche die israelische Komponistin Ella Milch-Sheriff für die Uraufführung ihrer Oper „Baruchs Schweigen“ zur Eröffnung des Wiener „EntArteOpera“- Festivals musikalisch verarbeitet hat. Erst als beinahe Erwachsene erfuhr sie den Grund für ihre gefühlskalte Kindheit.
Einer polnischen Chronik entnahm sie, dass ihr Vater Baruch, ein jüdischer Arzt aus Galizien, vor ihrer Zeit bereits eine Familie gehabt hatte.
Seine erste Frau und sein Sohn wurden von den Nazis ermordet. Der Vater konnte sich gemeinsam mit seinem Bruder retten, musste allerdings erleben, wie dieser in größter Verzweiflung seinen kleinen Sohn tötete, um im Versteck nicht entdeckt zu werden.
Trotz Gründung einer neuen Familie gelang es Baruch nicht, ein erfülltes Leben zu führen. Denn auch seine zweite Frau, Ellas Mutter, hatte ein schweres Los zu tragen. Sie war in den letzten Kriegstagen von russischen Soldaten vergewaltigt worden und kam darüber nie hinweg.
Ella versprach ihrem Vater vor seinem Tod, seine Tagebuchaufzeichnungen zu verbreiten. Sie machte mehr – und verwandelte das schwierige Erbe in ein feinsinniges Musikwerk, das mehr ist als eine Holocaust-Oper: eine bewegende persönliche Geschichte, dramaturgisch wie musikalisch tief berührend. Einsprengsel jiddischer Lieder und Referenzen an Kurt Weill beleben die stets tonale Partitur.
Im Semperdepot in Wien leitete Christian Schulz das vierzehnköpfige Orchester. Die Sänger waren ausnahmslos hervorragend, allen voran Hermine Haselböck als Ella und Duccio Dal Monte als Baruch. Konzise die Inszenierung durch die Co-Regie von Beverly und Rebecca Blankenship. Ein hervorragendes Beispiel für zeitgenössisches Musiktheater.
„Baruchs Schweigen“. Semperdepot, Wien.
Termine: 13./15./18. September.
www.entarteopera.com
Barbara Freitag