Sie feiern heute Ihr Rollendebüt als „Salome“. Welche Eindrücke haben Sie aus Ihren Proben am Klagenfurter Stadttheater mitgenommen?
ANNA GABLER: Die Rolle ist unglaublich anstrengend. Da lässt man schon die eine oder andere Kalorie auf der Bühne. Die Oper ist ja sehr kurz, hat aber in diesen eineinhalb Stunden eine unglaubliche Intensität. Salome ist ja die ganze Zeit auf der Bühne, vom ersten Ton an, und hat den Großteil der Aufführung zu bestreiten. Allein der Schlussgesang dauert 20 Minuten.

Die Partie ist also auch eine Konditionsfrage?
GABLER: Die Herausforderung liegt vor allem darin, in der Intensität der Rolle zu bleiben und gleichzeitig so viel Gehirn zu behalten, dass man immer noch weiß, an welchem Punkt man stoppen muss, um nicht beim übernächsten Punkt zum straucheln. Von der Kondition her ist es, wie einen Marathon zu laufen. Man muss sich die Kräfte gut einteilen. Ich habe mit vielen Sängerinnen gesprochen, die die Salome bereits gesungen haben, Nina Stemme oder Evelyn Herlitzius. Die haben alle einen Riesenrespekt vor dieser Rolle.

Sie haben sich bisher vor allem mit Wagner-Partien einen Namen gemacht. War Salome eine Wunschrolle?
GABLER: Ja. Und ich bin sehr froh, dass ich die Partie in Klagenfurt singen darf. An einem großen Haus wäre das ein unglaublicher Stress. Ich wollte ja schon mit Anfang 20 die Salome machen und habe dafür sogar einen Bauchtanzkurs absolviert. Die Salome fand ich immer schon super. Der Witz ist nur der, dass man den Bauchtanz für Salome gar nicht brauchen kann. Der „Tanz der sieben Schleier“ ist im Dreivierteltakt geschrieben, der Bauchtanz ein Viervierteltakt. Aber von der Beweglichkeit her kann man da sicher einiges einbauen.

Ist tänzerisches Können eine Voraussetzung für die Rolle?
GABLER: Es gibt Regisseure, die sagen: Die schlimmste Salome, die sie kriegen können, ist die, die einmal Tänzerin war bzw. viel getanzt hat. Man könnte sogar behaupten, Salome kann gar nicht tanzen und soll das nur im Kopf ihres Stiefvaters Herodes tun. Man kann das Stück so inszenieren, dass er sie real missbraucht hat, oder auch so, dass er sie im Kopf missbraucht und sich vorstellt: Wenn die auch noch tanzen würde, dann wäre es – Entschuldigung – noch viel geiler. Das ist ja sein Kopfkino und hat mit der Salome vorerst nichts zu tun. Ein professioneller, durchchoreografierter Tanz würde bei Salome gar nicht stimmen.


Für viele Regisseure ist der „Tanz der sieben Schleier“ eine Schlüsselszene. Wie wird es Michael Sturminger anlegen?
GABLER: Ich möchte nur so viel verraten: Wir haben keine sieben Schleier und ich werde nicht mehr unglaublich viel anhaben, aber auch nicht ganz nackt sein.

Liegt Ihnen eigentlich die Rolle des männerfressenden Vamps?
GABLER: Mir liegen verschiedene Rollen (lacht). Was mir nicht liegt, ist immer nur lieb, brav und schön zu sein. Aber die Salome ist ja nicht böse. Sie ist ja nur ein Spiegel ihrer Umgebung, in der sie aufgewachsen ist. Sie bedient sich nur eines Musters, das sie gut kennt.

Salome ist also auch Opfer?
GABLER: Das ist sie auf alle Fälle. Das ist aber nicht das Hauptthema der Inszenierung. Für sie ist das, wie sie ist, selbstverständlich, weil rund um sie alle so sind. Und der Erste, der ihr zeigt, dass es auch etwas anderes gibt, ist Jochanaan. Aber der lehnt sie ab. Und dann muss sie – sie hat ja noch nicht die Möglichkeit gehabt, zu wachsen – mit den Mitteln reagieren, die sie kennt. Aber Jochanaan, der sich ihr verweigert, ist auch nicht ganz dicht.

Laut Richard Strauss ist er sogar der Perverseste in dieser perversen Gesellschaft rund um Herodes. Sehen Sie da Analogien zu heute?
GABLER: Das Thema des Hedonismus und religiösen Eiferertums ist heute aktueller denn je. Also diese Gedankenlosigkeit in unserer Gesellschaft, die ihr Leben und ihren Luxus als selbstverständlich empfindet und der Kritik eines Jochanaan keinen Raum gibt. Aber Jochanaan ist kein friedliebender Jesus. Er ist ein militanter Eiferer und Extremist, der auch Unheil säen kann mit seinen Botschaften. Davon gibt es heute ebenfalls genug.

Hatten Sie als Sängerin je ein künstlerisches Vorbild?
GABLER: Nicht direkt, auch wenn ich zum Beispiel Birgit Nilsson bewundere, wie sie mit ihrer Stimmgewalt umgegangen ist. Als Teenager habe ich vor allem alte Musik und Countertenöre geliebt. Da gab es einen, der war so unglaublich schön, ein schwarzer Amerikaner. Meine Freundinnen haben für den Michael Jackson geschwärmt und ich für den Derek Lee Ragin.

Was kommt nach Salome?
GABLER: Momentan ist Salome das höchste der Gefühle. Mich beschäftigen vor allem Rollen in diesem Fach, etwa die Chrysotemis in „Elektra“ oder die Jenufa von Janaek. Auch die Carlotta in Schrekers „Die Gezeichneten“ wurde mir angeboten.

Wie wäre es mit einem neuerlichen Rollendebüt im Stadttheater?
GABLER: Nach Kärnten komme ich jederzeit gerne wieder! Ich bin jetzt überhaupt zum ersten Mal hier und bereits ein großer Fan des Landes, obwohl ich mit meinem Rad noch nicht viel weiter gekommen bin als bis Krumpendorf. Als Nächstes werde ich mir ein Paar neue Bergschuhe kaufen. Mal schauen, ob ich welche in der Größe einundvierzigeinhalb finden kann . . .