Ihr Roman „Der Engel des Vergessens“ war die Sensation im Literaturjahr 2011. Nach dem Ingeborg-Bachmann-Preis riss die Reihe an Auszeichnungen für Maja Haderlap über Monate nicht ab. Am 8. September kommt Haderlaps Familiengeschichte, die den Partisanenkampf der Kärntner Slowenen gegen Nazi-Deutschland ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gerückt hat, auf der Bühne des Akademietheaters zur Uraufführung. Die Autorin, in der Ära Dietmar Pflegerl Dramaturgin am Stadttheater Klagenfurt, hat gemeinsam mit Regisseur Georg Schmiedleitner die Bühnenfassung erarbeitet - mit zwei Ichs, einem, das reflektiert, und einem, das eher kindlich ist.

Wie kam denn die Dramaturgin Haderlap mit der Autorin Haderlap zurecht?
MAJA HADERLAP: Sagen wir, es war eine fruchtbare Zusammenarbeit.


Wer hat gewonnen, als es darum ging, wie viele Personen unbedingt für die Bühne bleiben müssen? Es gibt ja bereits die schlanke Bühnenversion mit drei Personen von Igor Pison für das Nationaltheater Ljubljana.
HADERLAP: Auch da haben sich die beiden recht schnell geeinigt. Dass es letztlich zehn Personen geworden sind ... In Wien war ich als Autorin mehr eingebunden. Das Konzept von Igor Pison ist gut aufgegangen, die Schauspieler in Ljubljana habe ich zudem auch alle gekannt, da habe ich mir keine grauen Haare wachsen lassen. In Wien ist der Zugang der Schauspieler zum Text ein anderer. Den meisten von ihnen war die Thematik nicht bekannt, wobei man das mittlerweile auch für Slowenien relativieren muss.


In Wien ist auch die erste Garnitur an Schauspielern dabei.
HADERLAP: Ja, wunderbar. Ich muss sagen, ich hatte sehr schöne Erlebnisse mit Elisabeth Orth. Bei der ersten Leseprobe bin ich innerlich vor ihr gekniet, wie sie sich die Rolle erarbeitet hat, hat mich erstaunt und auch beglückt. (Anm.: Elisabeth Orth spielt die Großmutter). Bei den Proben war ich dann großteils nicht dabei, nur die letzte Woche wird diesbezüglich intensiv werden.
Sie haben den Sommer praktisch mit dem „Wechselbälgchen“ verbracht. Die Erzählung von Christine Lavant hat in Ihrer Dramatisierung im Dezember am Volkstheater Premiere. Wie schwierig war diese Arbeit?
HADERLAP: Die Geschichte vom Wechselbälgchen ist grausam und fatalistisch. Meine Aufgabe war es, die Erzählung, die ja mit erzählerischen Mitteln arbeitet, für die Bühne zu aktivieren. Also, die Erzählstränge auseinanderzunehmen und zu schauen, wo sind im Text dramatische Qualitäten, wie könnte man die auf der Bühne lebendig machen. Das war meine Herausforderung.


Wie fühlte sich das an neben dem Selberschreiben?
HADERLAP: Es hat schon Spaß gemacht. Das Selberschreiben ist manchmal schon sehr hart. Der Text von Christine Lavant war da. Für mich war nur bestimmend, dass ich von dem ausgehe, was sie geschrieben hat und nichts dazu- dichte ... das wäre ja vermessen.


Die Saison am Volkstheater beginnt auch mit einer Roman-Adaptierung, „Fasching“ von Werner Fritsch. Was steckt hinter diesem Trend?
HADERLAP: Ich denke, das hat zwei Gründe: Man hat im Furor des postdramatischen Theaters letztlich den Theatertext von der Bühne vertrieben. Die Relativierung des Dramas hat schon ihre Berechtigung, wurde aber in vieler Hinsicht auch übertrieben. Es gibt eine Sehnsucht nach einer großen Erzählung, nach einem gesellschaftspolitischen Panorama. Das können gescheit zusammengeschusterte Textcollagen oft nicht bieten. Die heutigen Dramatikerinnen und Dramatiker müssen schon sehr kämpfen. Es ist gar nicht so einfach, eine Möglichkeit zu finden, sich am Theater zu erproben. Es muss ja alles gleich ein Erfolg werden. Deswegen greift man zu den etablierten Romanen.


Man greift also einfach zum populäreren Medium und das ist zurzeit der Roman. Sie sind Lyrikerin und der Roman ist samt Hype gewissermaßen über Sie gekommen. Nach Ihrem Namen wurde sogar in der Millionenshow und im Kreuzworträtsel gefragt?
HADERLAP: (lacht) Ja, angeblich in der Millionenshow. Es hat mich ja so unvorbereitet erwischt und ich war auf einmal eine öffentliche Person. Zwei Jahre waren der volle Wahnsinn. Mit dem Lyrikband (Anm.: „langer transit“) hat sich das beruhigt und es wurde viel Druck von mir weggenommen. Bei Lesungen kamen aber schon Leute mit dem Lyrikband in der Hand und haben gefragt. Wann schreiben S’ denn wieder einen Roman?


Und, schreiben Sie einen?
HADERLAP: Natürlich, das wäre schon mein Wunsch. Thematisch ist für mich der Roman schon eingekreist.


Sie sind viel in Wien. Lebt es sich da als Autorin adäquater und angenehmer?
HADERLAP: In einer großen Stadt ist die sogenannte Prominenz relativ, da bin ich anonym. Ich bin nur weltberühmt in Eisenkappel (lacht). Aber Wien ist natürlich interessanter, weil dort viel passiert, nicht nur im Theater.


In Kärnten passiert immer weniger, überall wird gespart. Was ist Ihre Wahrnehmung?
HADERLAP: Völlige Lähmung. Durch den Generationenwechsel im Kulturbetrieb ziehen sich viele der Älteren auf kleinere Bereiche zurück. Die haben ihre Sache durchgekämpft und sind erschöpft. Und für junge Initiativen ist es ja schon 20 Jahre lang sehr knapp. Auch für die Kultur gilt, was für die Gesellschaft gilt, Kaputtsparen schafft nichts Lebendiges, sondern Stagnation.


In den Kommentarforen wird schon diskutiert, meist in die Richtung, dass das wenige Geld für die Kultur auch zu viel ist. Wozu Nestbeschmutzer fördern, heißt es.
HADERLAP: Das ist ein alter Hut. Die sogenannte Vox populi erzeugt keinen Fortschritt und ist auch nicht gerade bekannt dafür, Problemlösungen zu entwickeln. Sie kann nur Stimmungen und Tendenzen verstärken, das weiß die Politik und das wissen die Marketingstrategen. Außerdem hat noch kein Arbeitsplatz, der im Kulturbereich weggefallen ist, anderswo neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Leute haben Angst, weil sie spüren, dass wir Teil dieser Welt sind, die brutal gegeneinander ausgespielt wird. Wir müssen uns wirklich engagieren, nicht nur schimpfen und hetzen. INTERVIEW: USCHI LOIGGE