Es ist eine alte Faustregel im Dienstleistungsgeschäft: Gute Erfahrungen werden von Kunden zwar weitererzählt. Aber war man mit dem Service nicht zufrieden, verbreitet man diese Geschichte drei bis vier Mal so oft. Gerade in Gastronomie und Tourismus kann so eine schlechte Nachrede enormen Schaden anrichten – vor allem, wenn die Servicefehler vor mehreren Zeugen passieren. Ein Forschungsprojekt will sich diesem Effekt nun näher widmen.
„Zum Thema Beschwerdemanagement wurde schon viel geforscht, man bezog sich aber immer auf die bilaterale Beziehung zwischen einem Kunden und einer Servicekraft“, sagt Christina-Franca Berger. Die Wirtschaftspsychologin eröffnet daher gemeinsam mit Kollegen Nilüfer Aydin und Holger Roschk ein neues Forschungsfeld – denn ins Restaurant oder in den Urlaub fährt man meistens zu zweit oder zu mehrt.
Genau solche Situationen will sie in Experimenten nachstellen: Zunächst in einer Versuchsanordnung, in der eine Serviceperson, ein Gast und ein Zeuge am Tisch sitzen. Die Beteiligten spielen eine vorgegebene Situation nach, in der etwas mit der Dienstleistung nicht stimmt. Im Anschluss darauf legt ihnen Berger dann einen Fragebogen vor und prüft damit die Gefühlslage der einzelnen Teilnehmer ab.
Die zentrale Frage: Wie sehr überträgt sich der Ärger über die schlechte Dienstleistung auf anwesende Zeugen, die selbst nicht vom Servicefehler betroffen sind? „Ein wesentlicher Faktor ist dabei das soziale Konstrukt“, sagt Berger. Ein enger Freund wird auf die schlechte Behandlung anders reagieren als eine weitschichtige Bekanntschaft. Der Bekanntheitsgrad der Konsumenten wirkt sich auf die „Koalitionsbildung“ aus – so lautet der Fachbegriff für den Effekt des gemeinsamen Beschwerens, den Berger erforschen will.
Ihr Ziel liegt darin, das Bewusstsein für die Tragweite von Servicefehlern in der Dienstleistungsbranche zu verstärken. „Mir ist wichtig, dass Dienstleister erkennen, welche großen Auswirkungen Fehler haben können – nicht nur auf den Betroffenen selbst, sondern auf das gesamte Umfeld.“ Damit einher geht ihre dringende Empfehlung, besseres Beschwerdemanagement einzuführen: Die Kosten für eine Runde aufs Haus für Betroffene und Zeugen seien wesentlich geringer als der Imageschaden, der sich durch Mundpropaganda multipliziert. Das Schlimmste, was Dienstleister in solchen Situationen machen können, ist die Kritik ihrer Kunden zu ignorieren.
Gar nicht ignoriert wird Bergers Forschungsprojekt übrigens von der Fachwelt: Die theoretische Vorarbeit, die sie als Basis für ihr Experiment gelegt hat, wird sie bei der renommierten Forscherkonferenz „Service Frontiers“ im Juni in New York präsentieren.