"Der Fall unterscheidet sich von vielen anderen, in denen IS-Mitglieder verurteilt wurden", sagte Richter Michael Schofnegger, der dem Schöffensenat vorsaß. Der Bosnier war in Klagenfurt zur Welt gekommen, hatte hier maturiert und auch ein Studium begonnen, in der Arbeitswelt aber nie Fuß fassen können. Wie es in der Anklage hieß, hing das auch mit seinem strengen Glauben zusammen: Mehrmals am Tag sei der Mann in eine Moschee gegangen, um dort zu beten.
Im Jahr 2015 war der damals 20-Jährige schließlich in die Türkei gereist: Mit seinen Ersparnissen in der Tasche und ohne seinen Eltern Bescheid zu sagen. In der Stadt Suruc, damals in einem beliebten Schleppergebiet für IS-Kämpfer, war allerdings Endstation. Der Mann wurde festgenommen und nach Bosnien abgeschoben. Zurück in Österreich wurden auf seinem Youtube-Kanal mehrere Videos online gestellt, in denen der IS verherrlicht wird. "Kommt zum IS, das ist die Wahrheit", hieß es in einem, "Kommt zu uns, dass wir nur Allah dienen und nur die Scharia anwenden" in einem anderen. In einem IS-Propagandamagazin, das auf dem Laptop des Bosniers gefunden wurde, wurde dazu aufgerufen, "die Imame der Ungläubigen" in Österreich und Deutschland zu töten.
Der Angeklagte hatte sich nicht schuldig bekannt. Er hätte nie vorgehabt, sich dem IS anzuschließen, auch sei er kein Salafist, sondern Muslim sunnitischer Glaubensrichtung. Vor seiner Reise in die Türkei habe er seinen Eltern nicht Bescheid gesagt, weil sie ihm eine Reise allein nicht erlaubt hätten. Erst sei er in die türkische Stadt Urfa gefahren, um sich dort die Kulturstätten anzusehen. Dort sei er auf die Idee gekommen, in die grenznahe Stadt Suruc zu fahren, um sich "einen Adrenalinkick" zu holen und "Kriegslärm" zu hören, sei aber festgenommen worden.
Was die Videos anging, so habe er nie vorgehabt, IS-Propaganda verbreiten zu wollen, beteuerte der 23-Jährige. Er habe lediglich "journalistisch tätig sein" und sich informieren wollen. Manche der Filme seien auch nicht von ihm hochgeladen worden. "Wie sind die dann auf Ihren Kanal gekommen?", wollte Schofnegger wissen. "Ich habe die Zugangsdaten für mein Google-Konto hin und wieder an Flüchtlinge weitergegeben, die sich nicht so gut mit dem Internet auskannten, aber eine E-Mail-Adresse brauchten. Vielleicht hat von denen jemand ein Video hochgeladen", rechtfertigte sich der 23-Jährige.
Als Zeuge wurde auch ein Beamter befragt, der den Angeklagten einvernommen und die Ermittlungen geleitet hatte: "Der Mann hat in der ersten Befragung gesagt, dass er dem IS nicht mit seiner Kampfkraft dienen wolle. Er sagte aber, dass er sich vorstellen könne, Hilfsorganisationen zu unterstützen, die den IS fördern." Dieser Darstellung widersprach der Bosnier: "Ich habe nur allgemeine Hilfsorganisationen gemeint."
Bereits nach kurzer Beratungszeit fällte der Schöffensenat sein Urteil. "Das Material, das wir bei Ihnen gefunden haben, zeigt uns, wie Sie denken", sagte Schofnegger. Ausgerechnet zu der Zeit, als im syrischen Kobane heftige Auseinandersetzungen tobten, also als dringend Kämpfer benötigt wurden, sei der 23-Jährige wenige Kilometer entfernt in der Türkei aufgegriffen worden. Die beanstandeten Videos seien "eindeutig propagandistisch", so der Richter: "Aus jedem Video geht eine positive Darstellung des IS hervor. Oft mit der Aufforderung, sich der Organisation anzuschließen. Es wird ein nettes, heiles Leben bei der Organisation vorgespielt, das ist eine einseitig verzerrte Kundgebung. Dass Sie das nicht kapiert haben, glaube ich Ihnen nicht." Der 23-Jährige habe einen intelligenten und belesenen Eindruck gemacht.
Der Bosnier war bisher unbescholten, was ihm mildernd zugutekam: "Und es ist auch ein Unterschied, ob man IS-Kämpfer anwirbt und mit Waffen versorgt, oder konspirative Gespräche führt, oder ob man so handelt wie der Angeklagte", führte Schofnegger aus. Man sei deshalb bei einem Strafrahmen von einem bis zehn Jahren im unteren Bereich geblieben: "Für eine bedingte Nachsicht ist aber nicht der geringste Raum gegeben."
Der Verteidiger des 23-Jährigen meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Die Staatsanwältin erklärte ebenfalls, gegen die Strafhöhe zu berufen.