In Sachen Rückrufe von Autos kommen auf den in der Krise steckenden Volkswagen-Konzern derzeit harte Zeiten zu. Da ist zum einen in Deutschland der seit Wochen erhoffte Start der zweiten Welle von Werkstattbesuchen wegen der Diesel-Manipulationen für die 2,0-Liter-Motoren, der sich wegen einer fehlenden Freigabe durch das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) weiter auf unbestimmte Zeit verzögert.

Als reiche das nicht aus, müssen Volkswagen und die Konzerntochter Porsche nun auch noch weltweit fast eine Million Autos wegen technischer Probleme zurückrufen.

"Wenn es nicht gut läuft, läuft es nicht gut", heißt es dieser Tage aus Konzernkreisen. In der Tat drängt sich der Eindruck auf, Volkswagen habe ein Abo auf schlechte Nachrichten. Denn die Rückrufe von weltweit 177.000 VW Passat der Baujahre 2014/2015 wegen Problemen an der Zentralelektrik sowie von 390.000 Touareg und 410.000 Porsche Cayenne der Baujahre 2011 bis 2016 wegen Pedalproblemen haben zwar nichts mit dem Diesel-Skandal zu tun, passen aber genau in ein Bild, das Volkswagen in der Krise überhaupt nicht gebrauchen kann.

Messungen werden nach Ostern fortgesetzt

Denn bei den wichtigen Diesel-Rückrufen geht es nicht voran. "Die Gespräche und Messungen werden nach Ostern fortgesetzt", sagt ein Sprecher des Konzerns. Die hier zur Diskussion stehende Rückrufwelle umfasst in Deutschland neben rund 160.000 VW Passat auch knapp 90.000 Fahrzeuge von Audi und Skoda.

Was genau sind die Gründe für die Verzögerung und den anhaltenden Gesprächsbedarf mit dem KBA? VW will sich offiziell nicht äußern. Auch neue Zeitpläne sind nicht zu erfahren. Dem Vernehmen nach gibt es laut Informationen aus Konzernkreisen Probleme mit möglicherweise höheren Kraftstoff-Verbrauchswerten. Die Tests könnten noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Grundsätzlich sollen sich die Eigenschaften des Fahrzeugs nach den Vorgaben des KBA mit dem Update der Motorsoftware nicht ändern. Selbst ein minimal höherer Verbrauchswert könnte VW so einen Strich durch die Rechnung machen - es gilt eine "Null-Toleranz-Linie".

Die Flensburger Behörde schweigt. Sie legt bei den seit Wochen laufenden Nachmessungen die EU-Verordnung 715/2007 zugrunde. Darin sind - je nach Fahrzeugklasse - Grenzwerte für Emissionen definiert, unter anderem zum Ausstoß von Kohlenmonoxid und Stickoxiden.

"Jahr des Rückrufs"

Im Konzern und im Aufsichtsrat gibt man sich trotz der Verzögerungen gelassen. Sicher habe man sich einen anderen Start ins "Jahr des Rückrufs" gewünscht - aber letztlich sei man weiterhin im Plan, heißt es aus dem Kontrollgremium. Bisher gebe es keine Anhaltspunkte, dass sich der Rückruf bis 2017 hinziehen könne. "Wir gehen davon aus, dass der Rückrufprozess den weiteren Jahresverlauf 2016 in Anspruch nehmen wird", heißt es auch aus der Wolfsburger Konzernzentrale.

Also eigentlich alles gut? Fest steht, dass mit jedem verstrichenen Tag der ohnehin hohe Termindruck in den Werkstätten steigen dürfte. Fahrzeugbesitzer müssen sich also darauf einstellen, dass sie bei der Vereinbarung eines Rückruftermins erst einmal länger warten müssen.

"Das Ganze ist natürlich sehr ärgerlich", sagt etwa der VW-Händler Ernst-Robert Nouvertne aus Solingen. Bisher seien die Kunden aber ruhig. Um die Autos schnell und gesetzeskonform umrüsten zu können, hätten sich die Werkstätten gut vorbereitet. "Wir haben ein Team für den Rückruf gegründet: ein Meister und drei Mechaniker. Haben zusätzliche Geräte angeschafft. Wir sind bereit", betont er.

"Wir arbeiten daran"

Ob die verbleibenden neun Monate ausreichen, um die gesamte Aktion abzuschließen, bezweifelt Nouvertne. "Die Zeit, die uns vorne fehlt, muss hinten wieder dran", erklärt er. Vom Konzern selbst gebe es auf Rückfragen längst keine konkreten Zeitangaben mehr. "Abwarten. Wir arbeiten dran", laute die Antwort aus Wolfsburg.

Für Volkswagen hatte die erste kleine Tranche des Rückrufs Ende Jänner mit dem Pick-up Amarok begonnen. Von den rund 8.400 Autos konnten bbisherimmerhin etwa 75 Prozent überarbeitet werden, teilte der Konzern mit. In absoluten Zahlen heißt das aber auch: Von den insgesamt rund 2,5 Millionen betroffenen deutschen Autos sind gerade erst einmal 6.300 fertig.

Um den organisatorischen Aufwand zu bündeln, hat Volkswagen die Rückrufe nicht nach Fahrzeugmodellen, sondern nach Motoren geordnet. In einem Kundenbrief nannte der Konzern Mitte Februar für die Wagen mit 1,2 Litern Hubraum einen Beginn ab dem 30. Mai (Kalenderwoche 22). Die mittelgroßen Motoren mit 1,6 Litern Hubraum sind dann ab dem 5. September (Kalenderwoche 36) an der Reihe.

Bei den Letztgenannten muss nicht nur eine Software überspielt, sondern auch ein neues Gitternetz eingebaut werden. Europaweit sind rund 3,7 Millionen der kleinen Kunststoffrohre bestellt.

Wie im aktuellen Fall muss Volkswagen aber auch bei den anderen Rückrufwellen immer die Erlaubnis des KBA abwarten. Im Konzern gibt man sich optimistisch, dass die Freigaben "aufgrund der bisherigen Lerneffekte" künftig schneller vonstattengehen.