Kurz vor Ablauf eines wichtigen Ultimatums hält die kalifornische Umweltbehörde CARB den Druck auf Volkswagen im Abgas-Skandal aufrecht. "Wenn sie keinen Plan vorlegen, der für uns und die EPA akzeptabel ist, dann stehen uns Strafen zur Verfügung - es geht nicht ewig so weiter, es gibt eine Deadline", sagte CARB-Chefin Mary Nichols am Mittwoch (Ortszeit) bei der Los Angeles Auto Show.

Am Freitag läuft für VW eine erste Frist ab, innerhalb derer der deutsche Autobauer den US-Regulierern Vorschläge für einen Rückruf von knapp 500.000 Diesel-Fahrzeugen unterbreiten muss, in denen eine spezielle Software ("Defeat Device") zur Manipulation von Emissionstests in den USA installiert wurde. Die Behörden haben dann 20 Geschäftstage Zeit, den Plan zu prüfen.

"Wollen Lösung finden"

"Danach könnten wir potenziell anfangen, Strafen zu verhängen", so Nichols. Es gehe allerdings nicht darum, VW mit Strafen zu überziehen, sondern eine Lösung zu finden.

VW-USA-Chef Michael Horn wurde bei seinem Auftritt in Los Angeles kühl empfangen. "Das mit dem Applaus werden wir nochmal üben müssen", sagte er zur Begrüßung. Horn, der von Dutzenden Journalisten bedrängt wurde, entschuldigte sich abermals für die Verfehlungen des Konzerns und erklärte: "Nichts ist für mich persönlich wichtiger als die Zufriedenheit der Kunden und es wieder gut zu machen für alle, die über die Jahre Vertrauen in Volkswagen hatten."

Horn bestätigte, dass VW-Vertreter sich am Freitag zu Gesprächen mit den US-Behörden EPA und CARB treffen werden. "Wir kooperieren voll und ganz, und wir werden dies weiter tun, mit maximal möglicher Transparenz." Zum konkreten Zeitplan für den Rückruf hielt der US-Statthalter der Wolfsburger sich aber weiter bedeckt. "Es ist zu früh, und ich würde großen Ärger bekommen, wenn ich heute etwas dazu sage."

"Mehr um Aktienkurs besorgt"

CARB-Chefin Nichols übte indes massive Kritik am bisherigen Krisenmanagement des Unternehmens: "Am Anfang haben sie abgestritten, dass es überhaupt ein Problem gibt." Dann habe der Konzern zunächst Anwälte angeheuert und Pressemitteilungen verschickt, anstatt an einer Lösung zu arbeiten. "Sie waren offenbar mehr um ihren Aktienkurs und möglicherweise ihre Kunden besorgt, als um die Umweltschäden, die sie anrichten", sagte die Vorsitzende der Institution, die im September gemeinsam mit der US-Umweltbehörde EPA die Affäre ins Rollen gebracht hatte.

Sollte sich VW bei einem Rückruf nicht an die Vereinbarungen halten, gäbe es die Möglichkeit, die betroffenen Autos aus dem Verkehr zu ziehen, sagte Nichols. Bei der jährlichen Erneuerung der Registrierung würde dann die Fahrerlaubnis verweigert. "Dies sind drakonische Strafen, und es ist überflüssig zu sagen, dass wir nicht hoffen, sie verhängen zu müssen." Doch die exzessive Luftverpestung durch die Fahrzeuge müsse gestoppt werden. "Wir warten noch immer darauf, wie das gelöst werden kann."

Kein Interesse am Umbau?

Ein großes Problem beim Rückruf sei, so Nichols, dass Fahrer möglicherweise überhaupt kein Interesse daran hätten. Denn der Ausbau der Schummel-Software, die VW seit 2009 in diversen Diesel-Fahrzeugen installierte, ginge zu Lasten von Leistung und Spritverbrauch. "Wenn sich herumspricht, dass die Reparatur die Autos weniger spritzig fahren lässt und dadurch mehr Sprit bezahlt werden muss [...], werden Leute sich dagegen entscheiden." Durch den "Defeat Device" wird die Abgasreinigung nur im Testbetrieb voll aktiviert.

Probleme schon im August eingeräumt?

Das Management von Volkswagen hat gegenüber US-Aufsehern einem Bericht zufolge schon rund einen Monat vor dem Ausbruch der Abgas-Affäre Software-Probleme eingestanden.

Laut "Handelsblatt" und dem ZDF-Magazin "Frontal21" räumten Vertreter des Autobauers am 19. August in Gesprächen mit der kalifornischen Umweltbehörde CARB Unregelmäßigkeiten bei Programmen für die Motorsteuerung ein, heißt es unter Berufung auf eine Akte aus der niedersächsischen Staatskanzlei. Darin sei von einem "Teilgeständnis" die Rede - lange vor der Mitteilung der US-Bundesumweltbehörde EPA am 18. September, dass VW bei Test-Messungen von Abgaswerten täuschte.

Ende August habe es im Vorstand der VW-Hauptmarke Diskussionen über den weiteren Umgang mit den US-amerikanischen Regulierern gegeben. Am 3. September räumte Volkswagen dann gegenüber der EPA ein, den genannten Ausstoß von Stickoxiden bei Abgastests geschönt zu haben. Erst am 22. September gab der Konzern eine Gewinnwarnung heraus und kündigte Milliarden-Rückstellungen wegen des Skandals an, der anschließend zurückgetretene Vorstandschef Martin Winterkorn entschuldigte sich.

Aktionäre erbost

Die frühe Kenntnis der Vorwürfe dürfte die Kritik an VW verstärken. "Mehr als ein Jahr lang fanden Gespräche statt, bis Volkswagen die Manipulation eingeräumt hat", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im Oktober im Landtag in Hannover. "Dieses Eingeständnis hätte sehr viel früher erfolgen müssen."

Auch viele VW-Aktionäre stören sich an der späten Information. Die Finanzaufsicht Bafin prüft, ob bei der Veröffentlichung des Skandals gemäß dem Aktiengesetz gehandelt wurde. Die Akte mit den als "streng vertraulich" klassifizierten Daten zu den US-Gesprächen war zeitweise verloren gegangen, bevor sie Anfang November wieder auftauchte.

Sammelklage in Australien

In Australien fordern VW-Besitzer wegen des Abgasskandals unterdessen Schadenersatz in Millionenhöhe. Die Anwaltskanzlei Maurice Blackburn kündigte am Donnerstag eine Sammelklage gegen Volkswagen an, in der sie für jeden Betroffenen umgerechnet etwa 6.700 Euro Entschädigung fordere. Sie fügte hinzu, dass bei mehr als 90.000 Fahrzeugen in Australien die Abgaswerte manipuliert worden seien.