Kaum jemand in der Welt isst so viel Fleisch wie die Australier: rechnerisch mehr als 100 Kilogramm pro Person im Jahr. Wohl deshalb stößt die neue WHO-Warnung vor Krebsgefahr durch verarbeitetes Fleisch in der Fleischliebhaber-Nation auf Sarkasmus. "Wenn wir all das aus unserer Ernährung streichen würden, was die WHO als krebserregend bezeichnet, können wir zurück in die Höhlen gehen", meinte Agrarminister Barnaby Joyce heute.

Die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat mit ihrer Warnung gerade weltweit Schlagzeilen gemacht. Sie deklarierte Würsteln, Schinken und anderes verarbeitetes Fleisch am Montag als krebserregend, in einer Kategorie mit gefährlichen Krebserregern wie Asbest, Alkohol und Tabak. "Das macht das ganze doch vollends zur Farce - Würsteln mit Zigaretten zu vergleichen", meinte Joyce.

Rotes Fleisch krebserregend

Zudem stuften die Experten rotes Fleisch generell als wahrscheinlich krebserregend ein. Darunter wird das Muskelfleisch aller Säugetiere verstanden, also auch von Rind, Schwein, Lamm, Kalb, Schaf, Pferd und Ziege. Die Ergebnisse bestätigten geltende Gesundheitsempfehlungen, den Konsum von Fleisch zu begrenzen, sagte Agentur-Chef Christopher Wild.

Eine Arbeitsgruppe aus 22 Experten hatte mehr als 800 Studien über den Zusammenhang von Fleischkonsum und dem Risiko für verschiedene Krebsarten ausgewertet. Die WHO-Behörde kam zu dem Schluss, dass das Darmkrebs-Risiko je 50 Gramm verarbeitetes Fleisch am Tag um 18 Prozent steigt.

Bestätigt, was schon bekannt war

Verarbeitet bedeutet, dass Fleisch zum Beispiel gepökelt oder geräuchert wurde. Das Risiko für Darmkrebs steige mit der Menge des konsumierten Fleischs, erläuterte Kurt Straif von der Krebsforschungsagentur. "Angesichts der großen Zahl an Menschen, die verarbeitetes Fleisch essen, hat der weltweite Einfluss auf die Krebshäufigkeit Bedeutung für die öffentliche Gesundheit."

Bei rotem Fleisch gibt es nach Ansicht der Wissenschafter begrenzte Belege, dass es beim Menschen Krebs erzeugt. Zur Frage, ob unterschiedliche Zubereitungsweisen das Krebsrisiko beeinflussen, reichten die vorliegenden Daten nicht aus.

Im Prinzip bestätige die Einschätzung der Krebsforschungsagentur die vorliegenden Befunde, sagte der deutsche Medizin-Nobelpreisträger Harald zur Hausen. Der Professor kritisierte jedoch, dass in dem Bericht nicht erwähnt werde, dass es Länder mit hohem Fleischkonsum gebe, in denen die Dickdarmkrebs-Raten trotzdem sehr niedrig sind. Aus seiner Sicht müsste daher mehr zwischen den verschiedenen Sorten roten Fleisches differenziert werden. So gebe es Anhaltspunkte, dass vor allem bestimmte Sorten von Rindfleisch das Risiko steigern, sagte der frühere Vorstandsvorsitzende des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg. Die WHO-Behörde ist der Auffassung, dass die Daten für eine solche Unterscheidung nicht ausreichen.

Ernährungswissenschafter weisen darauf hin, dass Fleisch unter anderem Eisen und wichtige Vitamine liefert. Wer kein Fleisch essen möchte, muss sich andere Lieferanten für wichtige Nährstoffe suchen.