Mehr als eine halbe Million österreichische Staatsbürger sollen es sein, die derzeit außerhalb ihres Geburtslandes ihren festen Wohnsitz haben, allein 250.000 davon in Deutschland. Nicht nur für sie bringt eine am Montag in Kraft getretene Erbrechtsverordnung der EU gravierende Veränderungen.

Grenzüberschreitendes Erben in der EU wird vereinfacht – künftig gilt das Recht des „gewöhnlichen Aufenthaltes“. Das Aufenthaltsprinzip löst demnach die Staatszugehörigkeit ab. In das nationale Erbrecht wird nicht eingegriffen. Die Verordnung regelt aber, welches Recht zur Anwendung kommt.

Weniger Doppelgleisigkeiten

Das bedeutet: „Wenn zum Beispiel ein Österreicher überwiegend in Italien lebt und dort auch verstirbt, dann unterliegt ab nun die gesamte Erbschaft dem italienischen Recht“, erklärt Erfried Bäck, Präsident der Kärntner Notariatskammer. In der Vergangenheit hatte in solchen Fällen österreichisches Erbrecht, aber italienisches Verfahrensrecht gegolten. Die Wohnung in der alten Heimat wurde nach österreichischem Recht vom österreichischen Gericht abgehandelt. Solche Doppelgleisigkeiten sind jetzt passè – das neue Erbrecht findet mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark in allen EU-Staaten Anwendung.

Was nach einer deutlichen Erleichterung klingt, muss nicht immer eine sein. Unterschiedliche Rechtslagen können etwa zu Problemen bei der Auslegung von bereits verfassten Testamenten führen. In den einzelnen EU-Staaten bestehen auch teilweise stark abweichende Regeln über Pflichtteilsansprüche. Um solche Schwierigkeiten zu vermeiden, gibt die neue EU-Richtlinie dem Bürger erstmals auch eine Wahlfreiheit.

Verlassenschaft nach Heimatrecht

Im Testament kann man festhalten, dass anstelle des Rechts, das am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes gilt, das Erbrecht jenes Landes zur Anwendung kommen soll, dessen Staatsangehöriger man ist.

„Damit die Erben keine unangenehme Überraschung erleben, empfehlen wir das Testament so zu ergänzen, dass die Verlassenschaft nach dem Heimatrecht abgehandelt werden muss“, sagt Bäck. Dann können die Erben auch vereinbaren, dass das Gericht des Heimatlandes für die Abhandlung der Erbschaft zuständig ist. Jedenfalls sollten bestehende Testamente unbedingt überprüft werden.

Wie wichtig die Neuregelung war, zeigen beeindruckende Zahlen der EU-Kommission: Demnach gibt es bei einem Zehntel aller Erbfälle in Europa einen grenzüberschreitenden Bezug – pro Jahr 450.000 Fälle mit einem Nachlasswert von rund 120 Milliarden Euro. Paare mit unterschiedlichen EU-Staatsbürgerschaften können ihre Verlassenschaft künftig auch wesentlich einfacher und nach einem gemeinsamen Recht regeln.

WOLFGANG FERCHER