In Bankenkreisen grassiert jetzt die Angst vor dem "Negativzins" bei Krediten. Denn der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat kürzlich Verbandsklage gegen die Bank Austria eingebracht, weil diese ihren Kunden mitteilte, dass die Kreditzinsen nicht „unter null“ fallen können – man also für Kredite niemals Geld von der Bank bekommen wird.
Der VKI jedenfalls hält das für eine rechtswidrige Änderung von vereinbarten Zinsklauseln. „Wir beobachten die Lage und bereiten weitere Klagen vor“, sagt VKI-Rechtsexperte Peter Kolba. Wenn nämlich null die Untergrenze sei, müsse es auch eine Obergrenze geben, fordern die Konsumentenschützer. Wenn also etwa ein Zinssatz von 1,0 Prozent vereinbart wird, sollen Banken nur dann eine Untergrenze bei Null einziehen können, wenn sie zugleich eine Zins-Obergrenze bei 2,0 Prozent vereinbaren. Das aber hält der Präsident des Österreichischen Sparkassenverbands, Gerhard Fabisch, für einen "Stich ins Herz": Langfristig könne man niemandem eine Zwei-Prozent-Obergrenze garantieren, da man ja die Marktentwicklung nicht kenne. Dann werde es eben für Konsumenten keine Kredite mehr geben, stellt Fabisch dem VKI die Rute ins Fenster.
Dynamit für die Banken
Tatsächlich sind die Niedrigzinsen für das Kreditgeschäft der Banken pures Dynamit. Denn bei variabel verzinsten Krediten wurde jahrzehntelang vereinbart, dass der Kunde einen Referenzzinssatz (z. B. Euribor oder Libor) plus einen Aufschlag (meist 1,5 bis 2,5 Prozent) zahlen muss.
An den Fall, dass der Referenzzinssatz unter null sinkt, hat niemand gedacht. Doch der Schweizer Libor, der für Frankenkredite gilt, liegt derzeit bei minus 0,8 Prozent und könnte weiter sinken. Das angestrebte Zielband soll laut Gerüchten auf bis zu minus 1,5 Prozent gesenkt werden. Und beim Euribor will niemand mehr ausschließen, dass er ebenfalls ins Minus dreht.
"Ein Desaster"
„Für die Banken ist das ein ziemliches Desaster“, sagt Sparkassen-Präsident Fabisch. Was also tun? In den Instituten wird derzeit in hektischen Sitzungen Notfallmanagement betrieben. Mit unterschiedlichen Ergebnissen: Die Bank Austria informierte die Kunden über ihre Rechtsansicht, dass man jedenfalls einen Mindestzinssatz von 0,00001 Prozent verlangen wird. Die Bawag/PSK schrieb dasselbe zunächst nur den Unternehmer-Kunden, nicht aber den Privaten.
Die Sparkassen gehen bei Frankenkrediten ebenfalls bis auf null, obwohl sie Gutachten haben, wonach sie eigentlich stets den gesamten Aufschlag berechnen dürften. „Bei Euro-Krediten ist noch offen, wie wir reagieren“, so Fabisch. Die Raiffeisenbank Bodensee legte Kunden eine einseitige Vertragsänderung vor. Bei Neuverträgen schreiben einzelne Banken nun oft Mindestzinsen vor.
Banken drohen mit Kredit-Ausstieg
Bei Altverträgen ist die Sache aber haarig. Die Banken argumentieren mit dem Wesen des Kredits als "entgeltliches Geschäft" sowie mit dem Paragrafen 988 ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch). Dort steht, dass das Entgelt in "vom Kreditnehmer zu zahlenden Zinsen" besteht. Außerdem verweisen mehrere Geldinstitute auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofs, der einst feststellte, dass umgekehrt auch Sparzinsen nie unter null sinken können. Dies müsse nun umgekehrt auch beim Kredit gelten. Fabisch: „Wenn das nicht anerkannt wird, werden Banken nach Wegen suchen, wie sie kurzfristig aus allen Krediten aussteigen.“ Der Schuss des VKI könne also nach hinten losgehen.