Der zerfurchte Holzschreibtisch im Büro des Wienerberger-Chefs im 32. Stock des Vienna Twin Tower ist ein ziemlich mitgenommenes Stück.

Das war wohl eine Werkbank?
HEIMO SCHEUCH: Die brachte ich aus Flandern, auf der wurden vor 100 Jahren in der Textilindustrie Stoffe zugeschnitten. Passt in ein Büro, wo gearbeitet wird.

Zuschnitte mussten Sie im Wienerberger-Konzern machen.
SCHEUCH: Vor fünf Jahren hat sich niemand vorstellen können, dass wir in Europa eine so lange Periode wirtschaftlicher und politischer Probleme haben werden. In dieser Zeit haben wir 70 Standorte geschlossen und industriell neu ausgerichtet. Wir sind vom Ziegel- zum Baustoffunternehmen mutiert, mit Rohren machen wir über eine Milliarde Umsatz. Wir setzen auf Innovation mit unzähligen Produkten, die wir im Jahr neu auf den Markt bringen.

In vielen Ländern Europas schwächelt der Bau noch immer.
SCHEUCH: Der Markt ist noch immer im Tal der Tränen. Da muss er heraus. In Ungarn ist der Baumarkt um 85 Prozent zurückgegangen. Dass wir heute dort noch immer cash positiv sind, ist eine Leistung. Wir haben statt 13 Werken jetzt drei Werke in Ungarn. Wir haben die Realität akzeptiert und in Innovationen investiert, wie die Hochwärmedämmziegel.

Wie kommt der Bau aus dem Tal der Tränen?
SCHEUCH: Der Bau hat viel mit Psychologie zu tun und mit dem Finanzierungsumfeld. Nach den letzten Schritten der Europäischen Zentralbank gäbe es eigentlich viel günstiges Geld. Es muss aber eine Aufbruchstimmung geben in Europa, die kann aber nur von der Politik ausgehen. Man muss mit Investitionen in der Infrastruktur und im sozialen Wohnbau voranschreiten, dann wird auch der Private wieder zunehmend investieren. Wir haben in Europa eine Investitionshemmung, weil viel zu wenig Leute an die Zukunft glauben.

Kann das Investitionsprogramm von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker das anstoßen?
SCHEUCH: Ich habe Herrn Jucker einen höflichen Brief geschrieben, dass es gilt, die Investition in den sozialen Wohnbau in Europa, die für jeden nachhaltig ist, voranzutreiben. Wenn man im sozialen Wohnbau einen Euro investiert, bekommt man 60 Cent sofort wieder zurück über Steueraufkommen, Ersparnis bei Arbeitslosigkeit etc. Und man hat eine Wertschöpfung in der lokalen Wirtschaft. Das ist heute essentiell in Europa, wenn man lokal Arbeitsplätze schaffen will. Es gibt ausreichend Möglichkeiten über die Europäische Investitionsbank, das zu finanzieren. In vielen Ländern müsste man kräftiger in dieses Segment gehen und nicht auf Wahlen warten. Auch die Zuwanderung in Europa kann ich nur mit einem gesunden Wohnbau integrieren.

Wohnbau als Schlüssel zur Integration der Migrationsströme?
SCHEUCH: Das Recht auf Wohnraum steht in der europäischen Verfassung. Das müssen wir auch leben. Wenn wir Zuwanderer in Ghettos stecken, schaffen wir die Integration nicht.

Welche Anstöße braucht der Wohnbau in Österreich?
SCHEUCH: Nötig ist bürokratische Entlastung. Abschreibmodelle können privates Geld in sozialen Wohnbau lenken. Wesentlich ist auch die Verfügbarkeit von Grund und Boden, besonders in Wien. Da soll man auch 100jährige Verpachtung andenken. Derzeit gibt es bei Baustellen in Wien große Probleme, weil man daran denkt, ob der Kran während des Song Contests stehen könnte.

Wie läuft es in den Krisenherden Griechenland und Russland?
SCHEUCH: In Griechenland haben wir ein Werk und sind im Rohrgeschäft in guter Position. In Russland gab es noch immer eine starke Nachfrage für uns.

Was sind ihre Pläne mit Tondach Gleinstätten?
SCHEUCH: Es passt gut zu uns und wir wollen damit von der Steiermark aus in Zentral- und Osteuropa weiter wachsen.

INTERVIEW: ADOLF WINKLER