Der Rechtsstreit um die Meinl Bank ist jetzt um eine Facette reicher: Der Haupteigentümer der Meinl Bank klagt die Republik Österreich vor einem internationalen Schiedsgericht und sieht sich durch "rechtswidrige Handlungen" der Behörden mit mindestens 200 Millionen Euro geschädigt. Laut Justizministerium ist dies der erste Fall, wo Österreich vor einem internationalen Schiedsgericht geklagt wird.
Die in der US-Hauptstadt Washington DC ansässige Rechtsvertretung des Meinl-Bank-Eigentümers hat heute in einer Aussendung von der Klage informiert. Konkret wolle die Gesellschaft "Beleggingsmaatschappij Far East B.V.", gestützt auf ein Investitionsschutzabkommen zwischen der Republik Österreich und Malta, die Republik klagen. Laut Firmenbuch ist die Far East B.V. eine Gesellschaft in den Niederlanden. Sie hält 99,992 Prozent an der Meinl Bank, den Rest hält die "Julius Meinl Versicherungsservice & Leasing Gesellschaft m.b.H". Dazu kommen offenbar mehrere zwischengeschaltete Briefkastengesellschaften, letztlich dürfte die Bank jedoch dem Banker Julius Meinl V. zuzurechnen sein.
Bank sieht sich massiv geschädigt
Der Anwalt der Far East B.V. führt an, dass durch das mittlerweile sieben Jahre andauernde Verfahren gegen die Meinl Bank und deren Organe sowie insbesondere durch das "massiv rechtswidrige Vorgehen der zuständigen Behörden", der Wert der Meinl Bank - und damit das Investment des Aktionärs Far East - um zumindest 200 Millionen Euro geschädigt worden sei. Laut dem Investitionsschutzabkommen sollten vor einer Verhandlung vor dem internationalen Schiedsgericht - etwa in Washington - "gütliche Gespräche" zwischen der Far East und der Republik Österreich über eine Beilegung des Streits geführt werden, heißt es in der Aussendung der US-Anwaltskanzlei Squire Patton Boggs.
Das Justizministerium wurde bereits offiziell informiert. Es sei ein Schreiben der Rechtsvertretung der "Far East" eingegangen, in dem über die Absicht informiert wurde, eine Klage bei einem internationalen Schiedsgericht nach dem Investitionsschutzabkommen einzureichen, erklärte die Sprecherin des Ministeriums heute auf Anfrage der APA. Dieses Schreiben werde derzeit geprüft. Die Klage des Meinl-Bank-Aktionärs sei der erste Fall, in dem die Republik wegen eines Investitionsschutzabkommens vor einem Schiedsgericht geklagt werde.
Anklage gegen Julius Meinl V.
Hintergrund der neuen juristischen Eskalation ist offenbar die angekündigte Anklage gegen den Banker Julius Meinl V., die Bankdirektoren Peter Weinzierl und Günter Weiß sowie zwei weitere Bank-Verantwortliche. Vorgeworfen wird ihnen Untreue durch die Ausschüttung einer 211 Mio. Euro hohen Sonderdividende für das Geschäftsjahr 2008. Die Beschuldigten weisen alle Vorwürfe zurück.
Die jüngste Aktion im seit sieben Jahren bestehenden Rechtsstreit rund um Meinl wurde heute von Politikern und Organisationen kritisiert. "De facto klagt damit Julius Meinl die Republik Österreich auf 200 Millionen Euro, weil diese ein Verfahren gegen seine Bank wegen einer Reihe von vermuteten Vergehen im Zusammenhang mit Meinl European Land - etwa wegen Untreue, Betrug oder Abgabenhinterziehung - führt", erklärte SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter. Hier werde versucht, "Investorenschutz für Spekulationsschutz zu missbrauchen".
"Wahnsinn von Investitionsschutzabkommen"
Auch von Europaabgeordneten kommt Kritik. "Die Meinl-Klage zeigt den ganzen Wahnsinn von Investitionsschutzabkommen", warnt Michel Reimon, Grüner Europaabgeordneter. Auch SPÖ-EU-Abgeordneter Jörg Leichtfried sieht sich in seiner Kritik an Sonderklagsrechten für Konzerne vor Privatgerichten bestätigt.
Greenpeace bekräftigt ebenfalls seine Kritik an Investor-State Dispute Settlement (ISDS) im Rahmen der geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA), der USA (TTIP) sowie Singapur (EUSFTA). "Österreichische Gerichte sollen mit dieser Klage in laufenden Verfahren eingeschüchtert und entmachtet werden. Die Bundesregierung darf nicht zulassen, dass Konzerne mächtiger werden als unsere Gerichte", fordert Greenpeace Sprecher Florian Schweitzer. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) habe noch vor zwei Tagen Kritik an ISDS mit dem Argument zurückgewiesen, Österreich sei noch nie im Rahmen von Investitionsschutz-Abkommen geklagt worden.
"Sonderjustiz für Priveligierte"
Ausgerechnet ein "Investor", der im Verdacht stehe tausende Anleger systematisch abgezockt zu haben, wolle nun die Republik aufgrund eines Abkommen mit einer bedeutenden Steueroase verklagen, kritisiert das österreichische Bündnis TTIP-stoppen (initiiert u.a. von Attac und Global 2000) und ortet eine "Sonderjustiz für Privilegierte".