Drohungen, Beleidigungen, düstere Szenarien: Die Parlamentswahl in Katalonien am Sonntag versetzt ganz Spanien in Wallung - und Teile der EU mit dazu. Denn das, was eigentlich nur eine Regionalwahl sein sollte, mutierte zu einem Votum über eine Abspaltung Kataloniens vom spanischen Staat.

Die Regierung in Madrid, Unternehmer, Banken und EU-Partner warnen vor unabschätzbaren Risiken im Falle einer Loslösung. Weil die Anhänger der katalanischen Unabhängigkeit aber gute Aussichten auf einen Sieg am Sonntag haben, fahren alle Seiten nun schwere Geschütze auf.

Rajoy staltet sich ein

Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy schaltet sich derzeit massiv in den katalanischen Wahlkampf ein. Die Unabhängigkeit würde bedeuten, dass Katalonien "die EU verlassen" würde, sagte er diese Woche. Renten, Spareinlagen, der Euro als Währung - all das stünde auf dem Spiel, warnte er die Katalanen. Den drohenden Verlust der spanischen Staatsbürgerschaft und damit des spanischen Passes führte Madrids Außenminister Jose Manuel Garcia-Margallo ins Feld. Und Sozialistenchef Pedro Sanchez malte ganz schwarz: Eine Unabhängigkeit Kataloniens ruiniere "nicht nur Katalonien, sondern auch den Rest Spaniens".

Tatsächlich wäre eine Abspaltung des wirtschaftsstarken Katalonien mit seiner Hauptstadt Barcelona für den Rest Spaniens eine Katastrophe. In der autonomen Region, die ein Fünftel des gesamten spanischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet, sind mehr als 5000 internationale Unternehmen angesiedelt. Sogar Zentralbankchef Luis Linde schaltete sich daher ein und warnte vor einem "Austritt aus dem Euro". In einem ungewöhnlichen Schritt schlugen auch spanische Banken und Sparkassen gemeinsam Alarm.

Aussetzung von Schuldenzahlungen

Den konservativen katalanischen Regionalpräsidenten Artur Mas, der mit politischen Partnern ein Bündnis für die Unabhängigkeit geschmiedet hat, schreckt all dies nicht. Im Gegenteil. Zuletzt drohte er sogar damit, dass Katalonien dann seinen Anteil der spanischen Schulden nicht zurückzahlen werde - in einem Spanien, das nach wie vor unter den bitteren Folgen der Finanzkrise leidet.

Mit drastischen Worten schürt der 59-jährige Mas zusätzlich die Emotionen. Die Spitzenpolitiker aus Madrid verhielten sich, als kämen sie "in das katalanische Reservat, um den Eingeborenen zu sagen, was sie wählen sollen", sagte er kürzlich. Ihnen sollten die Wähler den "Stinkefinger" zeigen.

Mehrheit für Separatisten

Bisher scheint sein Kalkül aufzugehen. Nach jüngsten Umfragen können die Anhänger der Unabhängigkeit auf eine absolute Mehrheit hoffen. Sie könnten auf 70 bis 78 Sitze kommen und damit auf jeden Fall auf mehr als die 68, die für die absolute Mehrheit erforderlich sind. Allein Mas und sein Bündnis Junts pel Si (Zusammen für das Ja), dem die linksgerichtete ERC und Organisationen der Zivilgesellschaft angehören, könnten 66 bis 67 Sitze erobern.

Mas hat die Regionalwahl klipp und klar zu einem Referendum über die Unabhängigkeit erklärt. Er verspricht, im Falle eines Wahlsiegs binnen "18 Monaten oder zwei Jahren" eine Verfassung für einen eigenständigen katalanischen Staat zu schaffen. Diese Verfassung - und damit die Abspaltung von Spanien - solle der Bevölkerung dann in einem Referendum zur Abstimmung vorgelegt werden, sagte er.

Madrid will verhandeln

Mit Madrid will der Regionalpräsident verhandeln, doch Regierungschef Rajoy lehnt das bisher kategorisch ab und sieht eine Abspaltung als verfassungswidrig an. Das spanische Verfassungsgericht hat Rajoy auf seiner Seite. Unterstützung bekommt er auch von internationalen Schwergewichten, angefangen von US-Präsident Barack Obama bis hin zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem britischen Premierminister David Cameron.

Das Wahlvolk - die Katalanen sind stolz auf ihre eigene Sprache und Kultur - will zwar auf jeden Fall selbst über eine Abspaltung von Spanien entscheiden. 1,4 Millionen Menschen demonstrierten erst vor rund zwei Wochen für die Unabhängigkeit. Für den radikalen Schritt - eine einseitige Loslösung von Spanien - sind aber bei Weitem nicht alle. Verhandlungen mit Madrid sind aber wohl erst nach der spanischen Parlamentswahl im Dezember überhaupt denkbar.