Die EU-Kommission hat am Mittwoch offiziell den Schlüssel für die Verteilung von weiteren 120.000 über Griechenland, Ungarn und Italien in die EU eingereiste Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und Eritrea vorgelegt. Österreich müsste demnach 3.640 Menschen aufnehmen, den Löwenanteil schultern Deutschland mit 31.443 und Frankreich mit 24.031 Menschen.

Die von der Kommission vorgeschlagenen, verpflichtenden Quoten müssen von den EU-Mitgliedsstaaten noch mit qualifizierter Mehrheit angenommen werden und würden zu jenen 40.000 Flüchtlingen hinzukommen, deren Verteilung die EU-Kommission bereits im Mai vorschlug. Aus diesem ersten Kontingent hätte Österreich 1.213 Menschen von Italien und Griechenland übernehmen sollen, dies jedoch wie auch andere, vorwiegend osteuropäische, Länder verweigert. Weshalb bereits die Verteilung der ersten 40.000 Menschen nicht gelang.

Die Reaktionen auf Junckers Vorschlag waren die selben wie in den vergangenen Tagen. Mehrere osteuropäische Staaten drückten am Mittwoch postwendend ihre Ablehnung aus. Darunter die Slowakei, Tschechien und Polen. Der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka sagte etwa, Europa brauche keine neuen Vorschläge zur Lösung der Krise, sondern müsse vereinbarte Maßnahmen umsetzen. Er sprach sich dafür aus, die Schengen-Außengrenzen besser zu sichern. 

Deutsche Führungsrolle

Für die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ist das nur ein „erster Schritt“. Sie kritisierte gleichzeitig mit Junckers Rede in einer Ansprache vor dem deutschen Bundestag die Quotengegner und strich die Führungsrolle Deutschlands in der Flüchtlingskrise hervor: Wenn Deutschland mutig vorangehe, „wird es wahrscheinlicher, dass wir eine europäische Lösung finden“.

Das neue Kontingent von 120.000 Menschen setzt sich aus 15.600 Flüchtlingen aus Italien, 50.400 aus Griechenland und 54.000 aus Ungarn zusammen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat die EU-Staaten am Mittwoch bei seiner Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg eindringlich aufgefordert, der Verteilung zuzustimmen. Er hoffe, die EU-Innenminister würden sich bei ihrem Sondertreffen am kommenden Montag auf die Verteilung aller 160.000 Flüchtlinge einigen, betonte Juncker.

"In keinem guten Zustand"

Aktuell sei "die EU in keinem guten Zustand", klagte Juncker eingangs. "Es fehlt an Europa und es fehlt an Union - Das muss sich ändern!", sagte der Kommissionschef. Er hoffe wirklich, "dass sich diesmal alle beteiligen werden", sagte Juncker zur geplanten EU-Quote. Die EU-Innenminister wollen am Montag einmal mehr über den Verteilungsschlüssel beraten. Der EU-Kommissionspräsident forderte zudem ein Arbeitsrecht für Asylwerber "vom ersten Tag an". "Ich bin absolut dafür", betonte er.

Zudem sollten alle EU-Beitrittskandidaten auch als "sichere Herkunftsländer" gelten, forderte Juncker. Asylanträge von Staatsbürgern aus diesen Ländern können rascher abgewickelt werden und haben nur wenig Aussicht auf Erfolg. Sollte sich jedoch herausstellen, "dass in diesen Ländern Menschenrechtsverletzungen geschehen, die die Gewährung von Asyl rechtfertigen", müsse man drüber nachdenken, ihnen den Kandidatenstatus abzusprechen, sagte der EU-Kommissionspräsident.

Vertragsverletzungsverfahren

Auch die EU-Mitgliedsstaaten will Juncker jedoch sanktionieren, wenn sie gegen gemeinsame Asylregeln verstoßen. Neue Vertragsverletzungsverfahren würden in den nächsten Tagen eingeleitet, kündigte er an. Damit hatte die EU-Kommission bereits vor wenigen Tagen gedroht.

Um zukünftige Diskussionen über die Verteilung von Flüchtlingen zu vermeiden, will Brüssel zudem einen festen Mechanismus etablieren. Immer dann, wenn die EU-Kommission feststellt, dass ein Land durch den Zustrom zu stark belastet ist, könnten dann Flüchtlinge nach dem festgelegten Verteilungsschlüssel in andere EU-Staaten gebracht werden. Entsprechende Entscheidungen will die EU-Kommission auf Grundlage der Asylwerberzahlen pro Einwohner sowie der Zahl der illegalen Grenzübertritte treffen. Zudem soll ein Not-Treuhandfonds über 1,8 Milliarden Euro für Hilfe in Afrika eingerichtet werden.