Früher war der Semmering ein beliebtes Ferienziel der feinen Wiener Gesellschaft. Nicht nur der Kaiser, auch Künstler wie Arthur Schnitzler, Stefan Zweig, Adolf Loos oder Oskar Kokoschka zog es im Sommer immer wieder dorthin. In der Zwischenkriegszeit fuhren Heinz Rühmann oder Josephine Baker auf den Semmering. Die Ortschaft scheint jedoch an Attraktivität nichts eingebüßt zu haben. Im Gegenteil: Keine andere niederösterreichische Gemeinde weist - anteilsmäßig - so viele Zweitwohnbesitzer auf. Das führt zum Kuriosum, dass die Ortschaft regulär 650 Einwohner zählt, bei der bevorstehenden Landtagswahl aber 1092 Personen wahlberechtigt sind. Und das ganz legal. In Niederösterreich dürfen Zweitwohnbesitzer auch Landtag und Gemeinderat wählen. Für die Landeswahlbehörde in St. Pölten ist dies mit Mehrarbeit verbunden. Bei der Landtagswahl am 3. März sind 130.000 Personen mehr wahlberechtigt als bei der Volksabstimmung zur Wehrpflicht am 20. Jänner.
Dass auch Zweitwohnbesitzer in Niederösterreich zur Urne gehen dürfen, ist keine wahltaktische Erfindung von Erwin Pröll. Zwar profitiert, so Wahlforscher Christoph Hofinger von Sora, tendenziell die ÖVP von dieser Besonderheit. Aber auch das Burgenland kennt diese Regelung. Durch die Nähe zu Wien sind viele Niederösterreicher oder Burgenländer in die Millionenmetropole abgewandert. Hofinger, aber auch andere Politologen können dem doppelten Wahlrecht sogar etwas abgewinnen: "Es entspricht dem Lebensgefühl des modernen, mobilen Menschen, der an mehreren Orten Wurzeln schlägt." Tatsächlich verbringen Zehntausende, wenn nicht sogar Hunderttausende Wiener das Wochenende draußen in ihrem Häusl am Land.
Horst Schröttner, Bürgermeister von Semmering, findet an der Regelung nichts verwerflich. Viele der Zweitwohnbesitzer, darunter der Maler Ludwig Attersee oder Militärexperte Erich Reiter, beteiligten sich aktiv am Gemeindeleben.
Das Doppelwahlrecht lädt aber auch zum Missbrauch ein. Die letzten Gemeinderatswahlen in Niederösterreich im Jahr 2010 schrammten haarscharf an einer Wahlanfechtung vorbei. In einigen Weinviertler Gemeinden fanden sich etwa polnische und slowakische Erntehelfer auf der Wahlliste, in einem anderen Ort wurden Sommercamper vom Bürgermeister aufgefordert, sich in die Listen einzutragen. In Hollabrunn waren in einem Bürogebäude der Wirtschaftskammer, das eine totale Baustelle war, 23 Personen zweitgemeldet. Die Liste der Dreistigkeiten ließe sich beliebig fortsetzen. Bisher sind aus Niederösterreich keine zweifelhaften Praktiken bekannt.
Spekulationen um Paierl
Neuerliche Spekulationen um Herbert Paierl: Die "Krone" weiß zu berichten, dass der langjährige ÖVP-Politiker nach der Niederösterreich-Wahl das Kommando in der Stronach-Partei übernehmen soll. Frank Stronach wolle sich auf die Rolle des "obersten Parteiweisen" zurückziehen. Paierl dazu: "Das ist eine Zeitungsente. Stronach hat mit mir nie darüber geredet, es gibt auch keine Übereinkunft." Eine Rückkehr in die Politik schließe er allerdings nicht aus.
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Obwohl erst in sieben Monaten ein neuer Nationalrat gewählt wird, hat der Vorwahlkampf begonnen. SPÖ-Chef Werner Faymann besuchte Freitagabend die Nachtschichtarbeiter am Hochofen bei der Voest in Linz. Erst gegen drei Uhr früh verließ der Kanzler das Werk.