Das Publikum schätzt Ballett-Abende mit mehreren Stücken in der Regel höher als ein abendfüllendes, komplexes Werk. Und für das Ensemble sind sie eine gute Gelegenheit, verschiedene Stile zu zeigen. So wie im Thoss/Wheeldon/Robbins-Abend. Eines der drei Stücke war 2012 an der Wiener Volksoper zu sehen.
"Blaubarts Geheimnis" des deutschen Choreographen Stephan Thoss ist eine weitere Bearbeitung jenes Stoffes vom unheimlichen Ritter mit dem tödlichen Frauen-Verschleiß. Thoss greift für seine Version tief in die Psychoanalyse-Kiste und stellt die Mutter des ödipal fixierten Ritters ins Zentrum. Diese ist natürlich an allem schuld, was der arme Neurotiker seinen Frauen angetan hat, bis die eine kommt, die ihn rettet.

Die flache Dramaturgie bietet auch choreographisch nicht viel Interessantes. Trotz eines dynamischen Flusses gibt es keine große Vielfalt in den Bewegungen. Der zeitgenössische Stil wurzelt im deutschen Ausdruckstanz in der Tradition von Kurt Jooss. Rebecca Horner in der Rolle der Mutter kommt damit am besten zurecht. Ihr liegen solche Movements und sie bringt die richtige Körperspannung zustande, was klassischen Tänzern bei solchen Choreographien nicht immer leichtfällt.

"Fool’s Paradise" des gegenwärtig sehr nachgefragten Briten Christopher Wheeldon ist eine schwierige, neoklassische Choreographie zur romantischen Musik von Joby Talbot. Dabei kommen gelegentlich Erinnerungen an Balanchine auf. Hier kommt es auf die schöne, elegante Linie an. Diese liegt dem Staatsballett gut, besonders Olga Esina, Ioanna Avram, Eno Peci und Roman Lazik. Sie alle tanzen paar- und gruppenweise Meditationen zu Shakespeares "Sommernachtstraum", der Wheeldon inspiriert hat.
Wheeldon war einst Tänzer des New York City Ballets, für das Jerome Robbins 1979 das letzte Werk des Abends, "The Four Seasons", zu Giuseppe Verdis Ballettmusik aus der Oper "Les vêpres siciliennes" geschaffen hat. Auch das ein neoklassisches Werk, eine launige Allegorie auf die vier Jahreszeiten. Jeder entspricht eine Formation von farblich passend gekleideten Tänzern, die der Reihe auftreten. Der Winter in klirrend-weiß, der Frühling in grün, so dass man schon einmal an ein Frosch-Ballett denkt.
Hier können die Tänzer zeigen, wie viele Pirouetten sie drehen können, und werden dafür vom Publikum enthusiastisch beklatscht wie im Zirkus. Zum Beispiel das junge Talent Davide Dato als Herbst-Faun, eine Rolle, in der er sich allerdings mit dem großen Mikhail Baryshnikov messen muss, der sie einst in New York getanzt hat.

BARBARA FREITAG