Die IG Autorinnen Autoren spricht sich entschieden gegen jede ORF-Programmreform aus, die den noch vorhandenen Beständen an Literatur- und Wissenschaftssendungen Sendezeit wegnimmt. 

Es kann ruhig sein, wie ORF-Hörfunkdirektor Karl Amon gestern gegenüber der APA erklärt hat, dass sich durch die beabsichtigte Ö1-Reform der Wortanteil auf Ö1 von 49 auf 50 Prozent erhöht, nur betrifft diese Zunahme des Wortanteils nicht Literatur- oder Wissenschaftssendungen, sondern Wortbeiträge anderer Art. 

Der Literatur und der Wissenschaft gehen seit vielen Jahren im ORF Sendezeiten und Sendeplätze verloren. Nichts anderes beabsichtigt auch diese Reform. Es geht dem ORF nicht darum, die Sendezeiten oder Sendeplätze für Literatur und Wissenschaft auszuweiten, wie es von ihm zu erwarten wäre, es geht dem ORF darum, sie zu redimensionieren. Betroffen von dieser Redimensionierung sind die literarischen und wissenschaftlichen Autor/inn/en, die Literatur, die Sachliteratur und die Wissenschaftspublizistik.

Ö1 ist nach der Auflösung von Literaturabteilungen und der Abschaffung von Sendungen in diesen beiden Bereichen in den Landesstudios die letzte nennenswerte Heimstatt von Literatur und Wissenschaft. Was auf Ö1 entfällt, entfällt daher für den ganzen ORF. Es wird auch nicht durch den Spartensender ORF III aufgefangen, in dem in den 4 Jahren seines Bestehens und im Gegensatz zum privaten Servus-TV keine einzige Sendung mit Primärliteratur Platz gefunden hat. 

Die IG Autorinnen Autoren fordert daher: Es darf keine weitere Literaturminute und keine Wissenschaftsminute gekürzt werden, ohne sie durch eine andere gleichwertige, der Literatur und Wissenschaft gewidmete Sendeminute zu ersetzen.

Sie fordert weiters: Jeder Verwässerung des Programms durch „Einbindung“ von Literatur- und Wissenschaftsthemen in andere, „neue Gefäße“ (Amon) entschieden zu begegnen. Auch für den Bereich der Literatur und Wissenschaft sind Quotenregelungen denkbar. Wenn keine qualitativen Kriterien angewendet werden können, um dem Literatur- und Wissenschaftssendungssterben entgegenzuwirken, müssen eben quantitative Kriterien gefunden werden.

Es soll niemand sagen, das Schicksal des ehemaligen Jugendkultursenders und nunmehrigen Kommerzsenders Ö3 könne Ö1 nicht ereilen. Ö3 war nach den ersten Abschaffungen von Informations- und Literatursendungen nach nur wenigen Jahren nicht mehr wiederzuerkennen, und niemand würde heute noch im Traum daran denken, dass Ö3 einmal auch ein Sendeplatz für Bücher- und Literatursendungen war.

Der ORF ist ein öffentlich-rechtlicher Sender, es sind ihm in allen seinen Programmen öffentlich-rechtliche Inhalte zuzumuten, und er hat vor allem auch die Aufgabe in seinen regionalen Programmen das politische, gesellschaftliche und kulturelle Leben in den Regionen in ihrer Gesamtheit wahrzunehmen und nicht nur selektiv, unter Ausblendung der Literatur und des Geisteslebens der jeweiligen Region.

Wir fordern daher nicht nur die Wiederaufnahme und Ausweitung von Literatur- und Wissenschaftsprogrammen in allen österreichweiten ORF-Sendern, sondern auch die Rückkehr von Literaturredaktionen und Literatur- und Wissenschaftssendungen in den Landesprogrammen des ORF.