Bundespräsident Heinz Fischer hat am Freitag Chemie-Nobelpreisträger Martin Karplus (85) in der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst verliehen. "Es ist etwas spät, aber vielleicht ist es für die Versöhnung gut, wenn man doch ja sagt", begründete der Forscher, der 1938 aus seiner Heimat Wien fliehen musste, die Annahme der Ehrung.
Karplus sagte, er habe lange nachgedacht, als man ihn fragte, ob er die Ehrung akzeptiere. Denn er sei seit mehr als 75 Jahren aus Österreich weg, "und ich habe nie etwas von Österreich gehört, bevor ich Rockstar wurde", so Karplus in Anspielung auf seine seit der Verleihung des Nobelpreises gestiegene Prominenz.
Fischer: "Zeichen der Dankbarkeit"
Der Bundespräsident bezeichnete die "höchste Auszeichnung auf dem Gebiet Wissenschaft und Kunst" als "Zeichen der Dankbarkeit" und verwies auf das zufällige Zusammenfallen der Ehrung mit dem Jahrestag des Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa am 8. Mai. Es habe sich in Deutschland und Österreich "etwas gefestigt, was am Anfang gar nicht so einfach und klar war", nämlich dass der 8. Mai als Tag der Befreiung gesehen werde, als Tag, an dem mit dem Krieg und der Diktatur des totalitären Naziregimes etwas ganz Entsetzliches zu Ende gegangen sei.
"Ihr Kommen und die Annahme der Auszeichnung ist keine Selbstverständlichkeit", betonte ÖAW-Präsident Anton Zeilinger. Er sei dankbar und könne dabei für eine ganze Generation sprechen, noch persönlich Erinnerungen von Karplus hören zu können. Weil künftige Generationen nicht mehr diese Gelegenheit haben werden, habe die Akademie ein kleines Projekt gestartet, um persönliche Erfahrungen von aus Österreich vertriebenen Wissenschaftern zu dokumentieren.
Das "Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst" wird an Wissenschafter und Künstler verliehen, "die sich durch besonders hochstehende schöpferische Leistungen auf dem Gebiet der Wissenschaft und der Kunst allgemeine Anerkennung und einen hervorragenden Namen erworben haben". Verbunden mit dem Ehrenzeichen ist die Aufnahme in die Österreichische Kurie für Wissenschaft.
Karpus-"Festspiele"
Karplus nahm im Anschluss an die Ehrung an der traditionellen Feierlichen Sitzung der ÖAW teil, die ihn vor kurzem zum Ehrenmitglied gewählt hat. Die Auszeichnung war Auftakt zu regelrechten Karplus-"Festspielen" in Wien. Dienstagabend (12.5.) eröffnet eine Ausstellung mit Fotografien des Wissenschafters an der Universität Wien. Bis 12. August sind im Großen Festsaal im Hauptgebäude der Uni unter dem Titel "La Couleur des annees 1950" rund 100 Fotos von Karplus aus den Jahren 1953-1965 zu sehen, zu dessen Leidenschaft bis heute das Fotografieren zählt. Am Mittwoch (13.5.) wird er mit dem Ehrendoktorat der Uni Wien ausgezeichnet, am Montag, 18. Mai hält er an der Fakultät für Chemie einen Vortrag zum Thema "Motion: The Hallmark of Life. From Marsupials to Molecules". Am 20. Mai wird Karplus außerdem Ehrenbürger von Wien.
Karplus wurde am 15. März 1930 in Wien geboren. Gemeinsam mit seiner Familie musste er nach dem "Anschluss" vor den Nazis in USA fliehen, wo er zum weltweit anerkannten Wissenschafter aufstieg. 2013 wurde er gemeinsam mit US-Kollegen für bahnbrechende Arbeiten zur Entwicklung universeller Computermodelle für die Voraussage chemischer Prozesse mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet.