Alarmierende Postings macht seit kurzem auf Facebook die Runde: "Wir beenden vorerst ab 1. Juli 2017 einen Teil unserer Tätigkeit! Nicht, weil wir nicht mehr helfen wollen, sondern weil der österreichische Gesetzgeber es verbietet. Durch das neue Tierschutzgesetz dürfen private Tierschutzvereine ohne Tierheim nun keine Tiere mehr öffentlich anbieten. Das bedeutet für uns und unsere Pflegestellen, dass die Tiere zwar da sind, aber keine Besitzer öffentlich gesucht werden dürfen", schreibt die engagierte Tierschützerin Eva Wolfsberger. Und sie ist nicht die einzige. Auch SOS Katze, Soul Cats oder das Lavantaler Tiereck kämpfen gegen das neue Gesetz.

Was ist da nur passiert? Es klang im Vorfeld großartig und war als Kampf gegen illegale Tierhändler gedacht: Wer künftig privat eine Anzeige für ein Tier auf einer Online-Plattform veröffentlicht, macht sich laut neuem Tierschutzgesetz strafbar. Außer es handelt sich um ein Tierheim. So wollte man den illegalen und qualvollen Welpen- und Babykatzenhandel im Internet stoppen. Nun darf ein Verein nicht einmal mehr nach dem Tod eines Tierbesitzers helfen, dem Tier einen neuen Platz zu suchen. Auch Amtstierärzte und Tierrettung wandten sich bisher oft an Vereine, wenn Tiere unterzubringen waren.

Tierschutz-Katastrophe

Was gut gemeint war, entpuppt sich nun als Katastrophe. Denn ab morgen, Freitag 30. Juni, müssen willhaben.at, Facebook und auch alle anderen Marktplätze und Plattformen im Internet sämtliche Tierschutzvereine sperren, die versuchen, ihre hunderten "Pflegekinder" zu vermitteln. Diese dürfen nicht einmal mehr Flyer aufhängen. Das neue Tierschutzgesetz hält fest, „dass das öffentliche Feilhalten, Feil- oder Anbieten zum Kauf oder zur Abgabe von Tieren im Internet verboten ist“.

Es geht darum, dass auch Vereine eine Betriebsstätte mit unerfüllbaren Auflagen - verfliester, isolierter Quarantänestation - gründen und anmelden müssen und einen erforderlichen Kurs um rund 600 Euro besuchen müssen, um dann irgendwann vielleicht eine Genehmigung zu bekommen. Künftig müssen die Vereine und Pflegestellen hilfesuchende Menschen mit gefundenen, kranken, heimatlosen Tieren an Tierheime weiterschicken - die ohnehin schon jetzt restlos überfüllt sind. Genau dieses Schicksal wollte man den Tieren ja durch Pflegestellen ersparen.

>>> Unterschreiben der Online-Petition gegen das neue Gesetz

Elisabeth Kern von SOS Katze: "Die Tierheime sind voll, also wird es künftig noch mehr ausgesetzte Tiere geben, es waren heuer mehr als in den Jahren zuvor, und es werden Katzen- und Hundewelpen künftig einfach getötet werden." Allein SOS Katze hilft im Jahr rund 400 Katzen, zu überleben. Die Seite www.neuestierschutzgesetz.at führe auf drastische Weise vor Augen, wie die Arbeit eines Tierschützers in Österreich aussieht.

Die Arbeit eines Tierschützers in Österreich in Bildern
Die Arbeit eines Tierschützers in Österreich in Bildern © www.neuestierschutzgesetz.at

So schreibt Claudia Gutjahr vom Verein "Die Pfotenretter" auf Facebook: "Was bedeutet das neue Tierschutzgesetz für uns? Landwirte dürfen ihre Katzen und Hunde offiziell unkastriert umherlaufen und Nachwuchs produzieren lassen. Auch Zoohandlungen dürfen weiter aus dem Ausland aus Welpenfarmen meist Rassehunde und Rassekatzen zukaufen und hier verkaufen, während sie in kleinen Käfigen, mit oft nicht einmal einem Bettchen, ihr Dasein fristen." Im Gegensatz dazu dürften private Pflegestellen ihre mühsam aufgepäppelten Pfleglinge weder via Internet vermitteln noch Flyer aufhängen. Da bleiben nicht mehr viele Möglichkeiten. Gutjahr schreibt: "Tierschutzvereinen ist es nun per Gesetz verboten, ihre mit viel Herz, Einsatz, finanziellen Mitteln und Zeit geretteten Tiere im Internet "feilzubieten".

"Tierheime sind voll"

Gutjahr: "Wir rennen seit Wochen von Pontius zu Pilatus, keiner kennt sich aus. Nun ist es aber in Österreich so, dass gerade wir Vereine unzählige ungewollte Tiere aufgenommen haben, weil die Tierheime diese nicht nahmen. Sie sind zu voll, haben zu wenig Kapazitäten, haben keine Vermittlungschancen. Den Menschen wird gesagt, lasst die Katze mit den Kitten einfach auf der Straße, die Natur wird dies regeln."

Kommt das Gesetz, müssen allein auf willhaben.at rund 8000 Tieranzeigen (von insgesamt 4,2 Millionen Inseraten) auslaufen lassen oder löschen. Denn der Gesetzgeber erklärt nicht, wie Privatpersonen nun einen neuen Platz für ihr Tier finden sollen.

"Fern jeder Praxis"

Auf der Seite "Wir sagen Nein zum neuen Tierschutzgesetz" steht zu lesen: "Private Tierschutzvereine kümmern sich aufopfernd um ihre Schützlinge, suchen engagiert nach guten Pflegeplätzen. Verletzte Tiere werden umgehend medizinisch versorgt. Für Menschen, die uns kontaktieren, entstehen minimale oder keine Kosten. Wir Vereine leben buchstäblich den Tierschutz. Wir lieben unser "Hobby", denn ein solches ist es: Für unsere Arbeit erhalten wir keinen Cent. Das gilt auch für unsere Pflegestellen." Was die Politik im neuen „Tierschutzgesetz 2017“ beschlossen hat, sei gänzlich unreflektiert und fern jeder vernünftigen Praxis.

Das Gesetz gehe in Sieben-Meilen-Stiefeln an dem vorbei, was sich als zielführend herausgestellt hat. Je nach Temperament ist der echte Tierschützer daher geneigt, loszuschreien oder still vor sich hinzuweinen. Elisabeth Kern: "Was soll mit den vielen Tieren geschehen, die auf einer Pflegestelle leben und auf „ihren Menschen“ warten? Ab in eines der überfüllten Tierheime? Und wenn die ihre Tore nicht mehr öffnen: Einschläfern oder erschlagen?"

In ein ähnliches Horn stößt auch der Wiener Tierschutzverein. Dieser "unfassbare gesetzliche Pallawatsch" betreffe hunderte kleine private Tierschutzvereine und private Pflegestellen in Österreich. Diese Menschen, die fast ausschließlich auf ehrenamtlicher Basis arbeiten, müssten nun um ihre Existenz bangen. Der Wiener Tierschutzverein (WTV) habe sich bereits vor längerer Zeit solidarisch erklärt und selbst beim Ministerium mit dutzenden Anfragen und der Bitte um sofortige Änderung interveniert. „Die Antworten fielen leider unbefriedigend aus und waren derart unterschiedlich, dass es kein Wunder ist, dass die kleinen Vereine hier nicht mehr durchblicken. In der rot-schwarzen Koalitionsregierung herrscht diesbezüglich anscheinend das Motto: Denn sie wissen nicht, was sie tun“, sagt WTV-Präsidentin Madeleine Petrovic.

Für die kleinen Vereine, egal ob sie sich nun im Inland um hilfsbedürftige Tiere kümmern oder sich der Rettung von Auslandstieren aus Tötungsstationen verschrieben haben, würde sich laut WTV die Schlinge immer enger zuziehen. Denn das Kleinanzeigenportal willhaben.at, für viele dieser Organisationen das wichtigste Tool zur Tiervermittlung, musste aufgrund der völlig abstrusen gesetzlichen Lage bereits die Konsequenzen ziehen: Ab 30. Juni 2017 wird das Portal keine privaten Tierinserate mehr zulassen - der Todesstoß für die kleinen Tierschutzvereine. „Wir halten auch die Beschränkungen für willhaben.at für verfassungswidrig. Denn willhaben.at hat, anders als Gesetzgebung und Regierung, gemeinsam mit der Tierärztekammer bereits sehr vieles getan, um die Qualität bei Tiervermittlungen im Internet wesentlich anzuheben. Auch mit dem WTV steht das Portal regelmäßig in Kontakt", so Petrovic.